Für Unentschlossene: Volksentscheid in Bremen und was es damit auf sich hat

Am Sonntag wird in Deutschland gewählt, das dürfte an euch nicht vorbeigegangen sein. In Bremen wählen wir nicht nur den Bundestag, sondern stimmen gleichzeitig darüber ab, ob die Legislaturperiode der Bürgerschaft und Beiräte von vier auf fünf Jahre verlängert wird. Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht belanglos, ist aber eine wichtige Entscheidung. Für alle, die die Diskussion darüber genauso vermisst haben wie ich, hier ein paar Einblicke.

Von Danielle Cikryt

Mehr oder weniger pünktlich kamen bei euch und mir die Wahlunterlagen ins Haus geflattert. Anders als sonst, bekam man auch einen Informationsflyer über einen Volksentscheid zugeschickt. Davon habe ich in diesem Moment zum ersten Mal gehört und war etwas verwundert. Volksentscheide kennt man sonst hauptsächlich von in der Gesellschaft stark diskutierten Themen wie dem Brexit oder dem Flughafen in Berlin-Tegel. Die Diskussion über eine Verlängerung der Wahlperiode hatte ich dann wohl verpasst, sofern sie überhaupt stattgefunden hat.

Von vielen habe ich mittlerweile gehört: „Keine Ahnung was es damit auf sich hat, aber wenn ich dann weniger wählen gehen muss, ist das doch gut“ oder „Spricht doch nichts dagegen“.  Doch. Es gibt gute Gründe die dagegen sprechen, genauso wie es gute Gründe gibt, die dafür sprechen. Genau deswegen ist ein öffentlicher Dialog, eine öffentliche Diskussion, enorm wichtig. Wahlprognosen, rechte Hetze und Angst vor rechter Hetze dieser im Bundestag dominieren den Gedankenaustausch jedoch. Der Zeitpunkt ist also ungünstig, gleichzeitig verspricht er natürlich, dass viele Leute an der Wahl teilnehmen. Da dies voraussetzt, dass man eine „echte“ Stimme abgibt, also eine solche die wirklich für oder gegen etwas einsteht, sollte man sich vorher eine Meinung bilden.

Nimmt man den Flyer zur Hand oder informiert sich im Internet ( http://www.bremische-buergerschaft.de/index.php?id=669), stößt man häufig auf das Argument, alle anderen Bundesländer hätten auch eine fünfjährige Wahlperiode. Auch wenn man hierbei unweigerlich an die „Aber Anna hat auch schon ein Handy“ – Diskussionen denkt, die wohl jeder damals mit den Eltern geführt hat und der Bundestag schließlich auch alle vier Jahre gewählt wird, ist an dem Argument bei genauerer Betrachtung etwas dran. Bremen ist als ärmstes Bundesland darauf angewiesen, Geld zu sparen. Eine Wahl kostet in allen Bundesländern Geld und in Bremen durch den kurzen Intervall am meisten, weswegen eine Orientierung an den anderen Bundesländern vor diesem Hintergrund durchaus sinnvoll ist.

Natürlich kann man Bremen auch als Vorreiter verstanden werden, der neben dem Bund als einzige verstanden haben, wie aktuelle Politik mit großer Einflussnahme der Wähler*innen betrieben wird. Der Anspruch an eine Wahl ist es, die gesellschaftliche Meinung widerzuspiegeln und zu vertreten. Sie kann aber immer nur eine Momentaufnahme sein und dementsprechend ist die Gefahr, dass sich die Meinung in der Zeit der Wahlperiode ändert, größer, je länger die Wahlperiode dauert.

Andererseits haben die Abgeordneten natürlich mehr Zeit, Reformen umzusetzen, die den Wähler dann gegebenenfalls überzeugen. Die Wahlkampfzeit ist tendenziell immer eine Zeit der großen Reden und wenigen Taten. Insofern könnte eine Verlängerung der Legislaturperiode tatsächlich dafür sorgen, dass sich mehr verändert und mehr umgesetzt wird. Genau das ist vor dem Hintergrund der Protestwahl dann wieder gefährlich. Zieht eine Protestpartei in die Bürgerschaft ein, hat sie womöglich ein Jahr mehr Zeit, um Schäden anzurichten ohne dass die Wähler*innen Einfluss nehmen können.

Ich sollte mich also fragen, ob ich den Abgeordneten möglichst viel Zeit geben möchte, sich in Thematiken einzuarbeiten und sachorientierte Politik zu betreiben, Geld sparen möchte und nach Möglichkeit so wenig wie möglich wählen gehen möchte. Wenn das zutrifft, sollte ich mit „Ja“ stimmen. Möchte ich als Bürger viel Einfluss auf die Politik nehmen, schneller reagieren können, wenn die Politik nicht so umgesetzt wird, wie ich das gerne hätte und mich nicht auf Volksentscheide zu allen möglichen Themen verlassen müssen, sollte ich mit „Nein“ stimmen.

Die Frage ob Volksentscheid ja oder nein ist vermutlich eine Grundsatzfrage, die jeder für sich beantworten, aber sich eben auch wirklich stellen muss.

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