Going Europe: Die Erasmus-Kolumne #5

Going South: #Valencia – Die Erasmus-Blase

Erasmus-Deutsch, Deutsch-Erasmus. Heute:
Erasmus-Blase, die; (ugs. für einen Zustand während des Auslandssemesters,  in dem man lediglich mit anderen Austauschstudenten Zeit verbringt und nicht mit Einheimischen); in der Erasmus-Blase gefangen sein; Hilfe, wie verlasse ich die Erasmus-Blase?

Von Lisa Urlbauer

Valencia, eine Erasmus-Hochburg. Die beiden staatlichen Universitäten (Universitat de Valéncia und Unversitat Politécnica de Valéncia) gehören zur Top Ten der europäischen Gastuniversitäten, mit über 3000 Studentinnen und Studenten, die sich im Zeitraum 2012-2013 im Rahmen den Erasmus-Programmes empfingen. Dementsprechend ist auch das Angebot für ausländische StudentInnen breit: Wohnungen, Ausflüge oder Partys, alles gibt es extra für Austausch-StudentInnen. Es ist also ein Leichtes, seine Zeit in Spanien in einem bunt gemischten, internationalen Haufen aus Studierenden zu verbringen: Niederländerinnen, Schotten, Italienern, Französinnen und natürlich Deutsche. Unterhaltungen finden zumeist auf Englisch statt. Einsamkeit und Langeweile passé. Dafür wird das Erasmus-Programm aber häufig dafür verschrien, dass man nicht genug vom einheimischen Leben, der Kultur und Sprache mitbekäme. Aber ist das wirklich so? Mein Eindruck nach der 2 ½ Monaten Erasmus in Valencia:

Die Erasmus-Organisationen

„Freizeitstress“ ist in Valencia definitiv kein Fremdwort. Hier haben es sich eine Vielzahl von Organisationen zum Ziel gesetzt, ausländischen StudentInnen das Leben neben der Uni zu versüßen. Okay, ertappt: Häufig spielt die Uni doch eher die zweite Geige. Karaoke-Abende, Beerpong-Turniere oder internationale Abendessen sind unkomplizierte und kostengünstige Möglichkeiten, neue Leute kennenzulernen. Aber gleichzeitig natürlich auch der perfekte Nährboden für eine Erasmus-Blase. Einheimische verirren sich dorthin nämlich eher selten. Stattdessen trifft man auf Personen, die sich in der selben Lebenslage wie man selbst befinden, man kann sich austauschen, wertvolle Tipps geben und vor allem die gemeinsame Freizeit planen. Denn der Lebensrhythmus und die Interessen von Erasmus-StudentInnen sind nicht unbedingt deckungsgleich mit jenen Studenten, die hier dauerhaft leben. Was für uns nur ein Zuhause auf Zeit ist, mit vielen noch unentdeckten Orten und Aktivitäten, ist für Einheimische meist nicht von Interesse. Im November bei 24 Grad ins Meer springen? Würde kein Spanier mehr machen, ist doch viel zu kalt. Für mich und drei deutsche Freundinnen die perfekte Beschäftigung an einem Sonntag Nachmittag. Vielleicht war uns auch gar nicht mal so unglaublich heiß, als das wir uns unbedingt abkühlen mussten. Aber nehmen lassen wollten wir uns die Chance auch nicht. Auch lassen sich meist eher deine Erasmus-Freunde zu Wochenendtrips überreden, die quer durchs Land gehen. Deine spanische Mitbewohnerin hingegen, verbringt ihre Wochenende wahrscheinlich bei ihrer Familie in einer spanischen Kleinstadt außerhalb Valencias. An dieser Stelle also ein klares „Ja“ zu den Erasmus-FreundInnen und zu Erasmus-Organisationen! Denn diese bieten auch Ausflüge in die Umgebung und Reisen an, veranstalten Kochkurse in denen man die regionale Küche kennenlernt oder vermitteln Tandem-Partner, um deine Sprachkenntnisse aufzubessern. Jede Menge Möglichkeiten, das Zuhause auf Zeit besser kennenzulernen.

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Bild: Lisa Urlbauer

Das WG-Leben

Als Erasmus-StudentIn in Valencia sind WG-Zimmer die Norm, denn hier sind Wohnheime die teurere Alternative. Dabei gehört neben Preis, Lage und Ausstattung häufig noch eine weitere Frage zu den ausschlaggebenden Kriterien. Erasmus-WG: ja oder nein? In einer WG mit anderen Erasmus-StudentInnen zu Leben, bringt sowohl einige Vorteile als auch Nachteile mit sich. Über ein Internetportal bin ich in einer Wohnung zusammen mit einer Spanierin und einer Venezolanerin gelandet, die hier normal in Valencia studieren und einem Italiener, der auch als Erasmus-Student hier ist (Die ganze Geschichte zur Wohnungssuche findet ihr in der Erasmus-Kolumne #1). The best of both worlds also. Was ich vor allem an meinen Mitbewohnern schätze sind die Unterhaltungen. Hier wird nämlich nur Spanisch gesprochen. Den größten Anteil meiner neu erlernten Vokabeln nehmen definitiv jene ein, die sich um den Haushalt drehen. Abwaschen, Boden wischen oder Aufräumen sind Vokabeln, die hier täglich fallen. Auch im gemeinsamen Zusammenleben fällt auf, dass Erasmus-StudentInnen nicht unbedingt immer die gleichen Prioritäten setzen, wie der Rest der Bevölkerung. Küche putzen oder Klo reinigen stehen meist nicht ganz oben auf der To-Do Liste, besonders wenn man lediglich in einem Zuhause auf Zeit ist. Wer weniger Interesse an Diskussionen hat, ist wahrscheinlich in einer WG mit anderen Erasmus-StudentInnen besser aufgehoben. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Was letztendlich „besser“ ist, eine WG zusammen mit Einheimischen oder anderen Austausch-StudentInnen ist letztendlich Geschmacksache und Frage der eigenen Wünsche und auch einfach Glückssache. Nicht immer sind Erasmus-StudentInnen als Mitbewohner favorisiert, bedingt durch die bereits bekannten Assoziationen: viel Party, wenig Ordnung. Abgesehen von gelegentlichen Diskussionen, wer jetzt wann welche Pflichten im Haushalt zu erledigen hat, geht es in unserer Wohnung sehr harmonisch zu. Meine beiden Mitbewohnerinnen scheinen uns zwei Erasmus-Studenten wohl nicht zu verteufeln, sondern freuen sich stattdessen über den interkulturellen Austausch bei Gesprächen und gemeinsamen Abendessen.

Die Universität

Erasmus heißt nun mal auch Studieren. Fünf Kurse belege ich Valencia und überall sitzen Erasmus-StudentInnen gemeinsam mit mir. Doch besonders was das Studieren angeht, ist der Kontakt zu den einheimischen Kommilitonin nicht verkehrt: Bei Unklarheiten zu Abgabeterminen und Prüfungsordnungen können diese einem meist besser weiterhelfen, als deine französische Sitznachbarin, die auch gerade neu ist. Über Gruppenarbeiten lassen sich leicht Kontakt knüpfen. Befindet ihr euch vielleicht in einer Erasmus-Blase, ist genau dies der richtige Zeitpunkt, diese zerplatzen zu lassen: Löst auch von euren internationalen FreundInnen und geht auf die einheimischen StudentInnen zu!

Mein Fazit

Es ist nicht immer leicht, Einheimische kennenzulernen und so eine Erasmus-Blase kann mitunter auch ganz gemütlich sein. Diese zu verlassen bedeutet auch immer etwas Mut, vor allem wenn die Sprachkenntnisse noch nicht so ganz ausgereift sind. Letztendlich ist Erasmus das, was man daraus macht – wie bei so vielen Dingen. Aber bei einem kann man sich sicher sein: einsam bleibt man nicht!

 

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