Grenzen überschreiten und Räume durchqueren

Der M.A. Transnationale Literaturwissenschaft

Von Alexandra Kind

Wer Literatur liebt, aber mal über den Tellerrand der Nationalphilologien wie Anglistik, Germanistik und Co. hinausschauen möchte, ist mit dem jungen Studiengang im Fachbereich 10 gut bedient. Die transnationale Literaturwissenschaft ist am Zahn unserer Zeit, die von Globalisierung und Migration geprägt ist.

Neben der Germanistik ist die Transnationale Literaturwissenschaft (TnL) zurzeit der einzige literaturwissenschaftliche Masterstudiengang der Uni Bremen. Angesiedelt ist die TnL im Fachbereich 10. Es lehren Dozierende aus der Anglistik und Amerikanistik, der Romanistik und der Germanistik. Das Zwei-Jahres-Programm besteht seit dem Wintersemester 2009/2010 und umfasst momentan rund 50 Studierende, die sich in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen „Einheimischen“, die ihren BA von der Uni Bremen erhalten haben, und Zugezogenen von anderen Universitäten zusammenfinden.

Was bedeutet „transnational“?

Der Titel des Studiengangs mag zunächst etwas sperrig klingen. Unter „national“ können sich die meisten wohl etwas vorstellen. Poldi und Schweini zum Beispiel, oder Sauerkraut. Oder eben die Nationalphilologien Germanistik und Anglistik, die auf Literatur in deutscher Sprache bzw. auf die Literatur, die auf den britischen Inseln ihren Ursprung hat, fokussiert sind. Aber was bedeutet dieses ominöse „trans“? Ganz einfach: Kulturen enden nicht am Schlagbaum des Grenzübergangs. Es geht also um Identitäten und Menschen, die sich in einer globalisierten Welt frei bewegen und ihre eigene Lebensart an einen anderen Ort bringen und von den Menschen, die sie dort treffen, wiederum etwas Neues lernen.

Die Bezeichnung als „Literaturwissenschaft“ mag zunächst vermuten lassen, dass die TnL sich nur mit schwarz auf weiß gedruckten Texten beschäftigt, jedoch schaut sie sich (wie der volle Titel „Transnationale Literaturwissenschaft: Literatur, Theater, Film“ verrät) auch Theaterstücke und deren Aufführungen sowie Filme an – kurzum: alles, was erzählen kann. Dabei geht es insbesondere um die Themen Migration, Flucht, Diaspora und Exil. Die Transnationalität ist dabei keine Theorie sondern eine Brille, die den Blick für ebenjene Phänomene schärft. Theoretisch baut die transnationale Literaturwissenschaft – vor allem, aber nicht ausschließlich – auf der postkolonialen Kritik auf.

Welche Gegenstände werden erforscht?

Besonders gerne beschäftigt sich die TnL mit Werken der Literatur, des Theaters und des Films, mit denen die Nationalphilologien nichts anzufangen wissen. Das sind häufig Werke, deren Inhalt oder Form außerhalb einer nationalen Literaturtradition liegen und somit nicht in die germanistische, anglistische oder eine andere Schublade passen. So weiß die türkische Literaturkritik zum Beispiel nicht, wie sie mit den Romanen der auch international bekannten und vielfach ausgezeichneten Autorin Elif Shafak umgehen soll, die – zum Teil motiviert durch die eigene umfangreiche Migrationsbiografie – ihren Roman in englischer Sprache verfasst.

Die TnL beschäftigt sich aber auch mit den Heldinnen und Helden der Nationalliteraturen, indem sie deren Werke im Sinne der postkolonialen Kritik „gegen den Strich“ liest und damit auch die nicht ganz so offensichtlichen Bedeutungen aus dem Text hervorbringt. So gibt das Drama The Tempest (Der Sturm) in einer transnationalen Betrachtung Aufschluss darüber, wie ein Londoner Stückeschreiber namens William Shakespeare am Anfang des 17. Jahrhundert die beginnende Globalisierung wahrnahm.

Besonderheiten des Kursangebots

Eine weitere Besonderheit ist die Praxiserfahrung: Kreatives Schreiben, Theater und Film können in den Praxismodulen – teilweise zusammen mit den anderen Studierenden des Fachbereichs – ausprobiert werden. Der Gedanke dahinter: Nur wer einmal selbst auf der Produzent*innen-Seite war, kann ein tieferes Verständnis für die Gemachtheit der Werke entwickeln, die in der Theorie analysiert werden. Gleichzeitig eröffnet das Praxisangebot auch Perspektiven auf eventuelle Berufsfelder wie das Kulturmanagement, in das man bei der Vorbereitung des Bremer Literaturfestivals globale° hineinschnuppern kann.

Voraussetzungen

Wer Interesse daran hat, TnL zu studieren, sollte sich auf der Website zunächst über die Aufnahmebedingungen informieren. Voraussetzung für die Zulassung ist ein Bachelorabschluss in einer Philologie, in den Kulturwissenschaften, oder in der Theater-, Film- oder Medienwissenschaft. Hinzukommt, dass die Studierenden über B2-Kenntnisse in Englisch, Französisch oder Spanisch
verfügen und entweder ausgezeichnete Noten in der Literaturwissenschaft, Kenntnisse in einer weiteren Fremdsprache auf B1-Niveau oder Praxiserfahrung im Theater- oder Filmbereich haben müssen.

 

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