„Wir sind sowohl die genialste, als auch die bescheidenste Band Deutschlands“

Alf Ator von Knorkator im Interview

Sie sind „Deutschlands meiste Band der Welt“: Knorkator – die Personifizierung von knorke. Bekanntheit erlangten sie vor allem im Jahr 2000 durch die Teilnahme am ESC-Vorentscheid und den Kommentar der Bild am darauffolgenden Tag: „Wer ließ diese Irren ins Fernsehen?“ Durchgeknallt mögen sie sein, aber vor allem ausgesprochen sympathisch. Alf Ator, kreativer Kopf der Band, hat sich den Fragen des ScheinWerfers gestellt, um so dem „Streben nach Ruhm und Reichtum“ nachzukommen.

Von Pia Zarsteck

Hallo Alf und herzlichen Dank für diese digitale Audienz! Im Gegensatz zu vielen genretypischeren Plattformen scheint der ScheinWerfer etwas artfremd – wie würdest du dich und die Band jemandem vorstellen, der euch gar nicht kennt?

Wir sind sowohl die genialste, als auch die bescheidenste Band Deutschlands.

Ihr sagt, ihr macht nicht direkt Heavy Metal – dennoch werdet ihr gerne in diese Schublade gesteckt. Wie würdest du die Musik beschreiben?

Also ich hab kein Problem damit, wenn uns jemand zum Heavy Metal zählt. Manche Songs von uns klingen ja durchaus wie das, was einige Metal-Bands so machen. Manche sagen, es wäre Punk, andere zählen uns eher zur Avantgarde, ich will mich da nicht festlegen. Wenn man 20 ist, definiert man sich als Musiker vor allem durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Richtung, bzw. durch die Abgrenzung zu anderen Richtungen. Es gibt natürlich Überschneidungen, aber die müssen immer haargenau artikuliert werden. Ich kenne das von jüngeren Kollegen, die akribisch damit beschäftigt sind, ihre jeweilige Richtung irgendwie durch Kombination verschiedener Genres zu benennen, wie zum Beispiel „Depressive Suicidal Black Metal to Death Core“. Wenn man aber irgendwann seinen eigenen Stil gefunden hat, konzentriert man sich einfach nur noch darauf, funktionierende Songs zu schreiben, egal in welche stilistische Richtung sie gehen mögen. Die persönliche Handschrift ist dann sowieso immer zu erkennen, ohne dass man ein riesen Geschiss darum macht. Das soll jetzt nicht abwertend klingen. Die erste Phase ist absolut wichtig zur Selbstfindung. Aber es ist eben nur eine Phase.

Kein „Depressive Suicidal Black Metal to Death Core“, einfach nur Knorkator-Stil

Euer just erschienenes Album trägt den Titel „Ich bin der Boss“ und verlangt nach dieser Frage: Wer ist dieses ‚Ich‘, wer ist der Boss?

Unser Album ist ja nach einem Song benannt. In diesem Song wird eine absurde Geschichte erzählt, in deren Verlauf die Protagonisten sich irgendwann beschweren, in welch einer absurden Geschichte sie leben müssen. Daraufhin erscheint der Schöpfer der Geschichte und sagt „Ich bin der Boss! Halt die Fresse!“ Wenn man bedenkt, dass ich diesen Song geschrieben habe, muss die korrekte Antwort auf deine Frage lauten: „Alf Ator“.

„Wenn die Kinder artig sind“ ist im August als Single ausgekoppelt worden. Auf einen Satz heruntergebrochen: Brave Kinder bekommen vom Christkind ein Bilderbuch. Im Video liefert sich Stumpen einen Boxkampf mit einer Frau. Was habt ihr euch dabei gedacht?

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Knorkator

Stumpen wollte schon immer mal ein Video machen, wo er als Boxer zu sehen ist. Leider habe ich nie einen Song geschrieben, der das thematisch irgendwie untermauert. Jetzt wollte Stumpen aber nicht mehr länger warten, und so musste irgendein Track des Albums dran glauben. Die meisten Texte gingen thematisch aber zu sehr in irgendeine andere Richtung, deshalb schien es sinnvoll, einen Song zu wählen, der in gar keine Richtung geht. Die andere Möglichkeit wäre „Aha“ gewesen, aber der ist ja so kurz.

Und wo wir gerade beim Thema Videos sind: Im Video zu “Du nich” habt ihr Till Lindemann (Rammstein) mit ins Boot geholt. Brauchte es viel Überredungskunst, ihn zu vier Minuten Stillsitzen zu bewegen?

Anders rum: Die eigentliche Hürde bestand darin, ihn dazu zu bewegen, überhaupt gefilmt zu werden. Seine Bedingung war, dass er nichts machen muss. Also sitzt er halt nur da.

Nicht alle eure Videos passen so gut zum Text wie „Klonen“ oder „Alter Mann“ . Steckt hinter vermeintlich textfremden Videos ein bestimmter Gedanke?

In Wirklichkeit haben wir ja viele Videos, die sich sehr stark auf den Text beziehen, was eigentlich nicht so verbreitet ist. Es gilt gemeinhin als anspruchsvoller, im Video etwas völlig anderes zu erzählen, was nur auf einer bestimmten Ebene die Thematik des Songs tangiert. Doch wir stehen irgendwie drauf, so richtig schön doof Wort für Wort den Text zu verdeutlichen. Aber natürlich nicht immer. Wenn es eine richtig gute Idee gibt, wehren wir uns nicht dagegen.

„Es gilt gemeinhin als anspruchsvoller, im Video etwas völlig anderes zu erzählen.“

2013 habe ich euch live im Schlachthof gesehen, schon vorher seid ihr häufig dort aufgetreten und am 18. November dieses Jahres seid ihr wieder dort. Ist das beabsichtigt, mögt ihr die Location?

Die Wahrheit ist ganz unspektakulär: Wenn man als Band seit ein paar Jahren dabei ist, kristallisiert sich in jeder Stadt so eine gewisse Zahl an zu erwartendem Publikum heraus. Also sucht das Management zusammen mit dem örtlichen Veranstalter eine Location, die die entsprechende Größe hat. Und in Bremen ist es halt der Schlachthof.

Große Festivals, besondere Locations wie die „Full metal cruise III“ und kleine, kultige Clubs, in denen euch der Schweiß der Menge in den Nacken tropft: Was für Konzerte sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Ich könnte dir jetzt hunderte unvergessliche Konzertabende in abgedrehten Locations nennen. Das würde Romane füllen. Ich zähl jetzt mal nur kurz ein paar davon auf, und auch nur solche, wo sich der Kern mit kurzen Worten beschreiben lässt. 1) Das allererste Konzert in einem Köpenicker Jugendclub, wo wir uns gegenseitig mit Kartoffelbrei-Kakao-Gemisch bewarfen und mit einem Styropor-Hammer auf das Publikum einschlugen 2) Das polnische Woodstock, wo wir vor 300.000 Leuten spielten 3) Die „Cathedral“ in Toronto, wo wir vor 30 Leuten spielten, die aber zum Teil aus 700 km Entfernung extra angereist waren 4) Der Support vor Marilyn Manson in der Spandauer Zitadelle, wo ich echte nackte Frauen als Keyboardständer hatte. Die Liste könnte ewig weitergehen …

Und wo würdest du in deiner Musikerkarriere noch gerne spielen? Gibt es eine Wunschlocation?

Ich würde gern auf der ISS spielen. Aber Buzz Dee hat Höhenangst.

„Ich würde gern auf der ISS spielen. Aber Buzz Dee hat Höhenangst.“

Der Titel eurer Tour ist „Wir freuen euch uns zu sehen“ – ein schönes Beispiel für eure Wortspielereien. Ihr würfelt Worte, spielt mit dem Satzbau, strapaziert die Aussprache von Wörtern oder die Betonung ganzer Sätze – wie wichtig ist euch die Sprache in der Musik?

Hä?

Sprache und Literatur begleitet euch auch außerhalb der Knorkator-Welt. Du schreibst Bücher und zeichnest Comics, Stumpen macht „literarische Musik“. Was für Projekte verfolgt ihr aktuell neben ‚Knorkator‘?

Ich kaufe billig kitschige Landschaftsgemälde, male mich selbst hinein und verkaufe sie teuer

Und zuletzt: War für euch 2014 20-jähriges Bandjubiläum oder zieht ihr eure drei Jahre Pause (2008-2011) ab und feiert erst 2017? 😉

Zwar haben wir tatsächlich 2014 unser Jubiläum gefeiert, aber dein Argument ist überzeugend, deshalb feiern wir 2017 nochmal.

Herzlichen Dank für das Interview! Wir sehen uns im November im Schlachthof!

Herzlichen Dank an euch, dass ihr durch dieses Interview unser Streben nach Ruhm und Reichtum unterstützt.

Website: http://www.knorkator.de/
YouTube: http://www.youtube.com/user/Knorkatorstumpen
Knorkator live in Bremen: http://www.schlachthof-bremen.de/programm/details/knorkator.html

Haltet die Augen offen, denn bald gibt es bei uns 1×2 Tickets für das Konzert am 18.11. zu gewinnen!

Titelbild: Knorkator

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