Eine Liebeserklärung an Bremen
Wo würdest du leben, wenn du frei entscheiden könntest und an niemanden gebunden wärst? Vor Kurzem habe ich eine Diskussion zu genau diesem Thema verfolgt. Die Antworten waren vielfältig: von Amsterdam (natürlich nur wegen der Fahrradfreundlichkeit) bis Zagreb (Wer will nicht dort wohnen, wo andere Urlaub machen?) war alles dabei. Nur selten las ich „Bremen“ als Antwort und das obwohl die Mehrheit der Diskutierenden aus dem Norden Deutschlands kommt. Deshalb hier eine Liebeserklärung an den scheinbar unterschätzten Norden.
Von Elina Fläschner
„Ich bin eine Bremerin“, ein Satz, den ich voller Stolz sagen kann, egal ob in Paris, Berlin oder New York (außer in Hamburg, da traue ich mich das nicht). Ich lebe gerne in Bremen und immer wenn ich im außerbremischen Ausland unterwegs war, freue ich mich, wieder in den Hauptbahnhof einzufahren. Hier ist jedes Mal der Blick auf die Schlachte mein persönliches Highlight. Bei Sonnenschein glitzert die Weser wunderschön und auch bei schlechtem Wetter ruft sie ein Gefühl des Heimkommens aus. Klar, es mag Zweifler geben, aber ich bin vollkommen überzeugt von Bremen und umzu:
Die Mentalität der Leute ist herrlich entspannt: mit „Moin“ ist alles gesagt. Mehr Worte werden nicht benötigt, weder in Bremen noch in Hamburg – Eine wunderbare Eigenschaft, die alle norddeutschen Städte miteinander vereint. Die Begrüßung, die eigentlich viel mehr als das ist, ist vielseitig anwendbar. Wahlweise kann das Wort mit einem Nicken kombiniert werden, was dann eine besonders große Sympathie zwischen den Sprechern ausdrückt, die normalerweise nur Familienmitgliedern, dem engsten Freundeskreis und dem Bäcker seines Vertrauens vorbehalten ist. Wer mehr Laute von sich gibt als notwendig, wird als Schnacker betitelt.
Trotz der Gemütlichkeit Bremens, gibt es hier richtiges Großstadt-Feeling: Zwar nur in einem Stadtteil, nämlich im sogenannten “Viertel”, aber immerhin. So kann man mit einem nur fünfzehnminütigen Fußmarsch dem Großstadt-Getummel entfliehen und durch die ruhigen Gassen des Schnoors bummeln. Nicht umsonst wird Bremen „großes Dorf mit gutem Straßenbahn-Netz“ genannt, überall trifft man auf bekannte Gesichter und sobald man jemand neues trifft, kann man sich sicher sein, ihn über maximal zwei Ecken zu kennen.
Für nicht-Nordlichter mag hier das Wetter ab und zu mal schlecht sein, für mich ist es das perfekte Wetter für gammelige Serienabende. So lohnt sich die Miete richtig! Muss man doch einmal das Haus verlassen, kann man praktische gelbe Jacken tragen, den sogenannten Friesennerz, der als Tracht des Nordens gilt. Ist die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, ist man vor allen Wetterlagen geschützt und kann auf See fahren (oder die Studentenvariante: zum nächsten Supermarkt laufen, um Fischstäbchen zu kaufen). Das „büsch‘n Wind“ hier hat noch niemandem geschadet und Sturm ist sowieso erst, wenn die Schafe auf dem Deich keine Locken mehr haben, stimmt‘s? Außerdem hat das meist verregnete Wetter den Vorteil, dass die Leute die schöneren Wetterphänomene, wie Schnee oder Sonnenschein, viel mehr zu schätzen wissen. Der Sommer, der jedes Jahr rund fünf Tage dauert, wird mit stundenlangem Nichtstun am Baggersee gebührend gefeiert oder wahlweise am offenen Wohnzimmerfenster, in den Händen Lernzettel für anstehende Prüfungen. So wird die dezente Blässe erhalten, die in manchen Kulturen als Schönheitsideal gilt und einen fleißigen Studierenden auszeichnet.
Du bist noch nicht überzeugt aber findest Essen super? Dann wirst du von der Bremer Flagge begeistert sein: rot-weiß gestreift, am Flaggenstock gewürfelt, die Assoziation zu Speck verleiht dem Hoheitssymbol den liebevollen Namen „Speckflagge“. Speck, ist das nicht der größte Sympathiepunkt überhaupt? (Natürlich komplett vegan, vorausgesetzt bei der Produktion des Stoffes kommen keine Tiere zu Schaden).
Apropos Speck: Die kulinarische Seite Bremens lässt mein Herz höher schlagen. Grünkohl, Babbeler und Schmalzkuchen mit viel Puderzucker, der sowohl die eigene Jacke als auch alles andere im Umfeld von einem Meter aussehen lässt, als ob es direkt einer idyllischen Schneelandschaft entsprungen wäre (übrigens ein Grund, niemals den Düsseldorfer Weihnachtsmarkt zu besuchen, denn dort sucht man Schmalzkuchen vergeblich!). Zur Erklärung der traditionellen Speisen: Mit Grünkohl wird die Winterzeit (auch: Grünkohltour-Saison) eingeläutet, mit Schmalzkuchen der Freimarkt. Der Frühling, Herbst und Sommer müssen gar nicht eingeleitet werden, da sie als fließender Übergang zwischen Winter und Freimarkt anzusehen sind.
Und was gehört zu einem richtig guten Essen? Richtig, gute Getränke, aka Bier! Meine Favoriten sind das Schüttinger und die Union Brauerei, denn hier wird köstliches Bremer Bier gebraut. Im Sommer mit einem Bierchen an der Schlachte zu sitzen ist das pure Glück, vor allem, wenn man zufällig einen der grandiosen fünf Sommertage erwischt hat. Ein Hoch auf dieses Land, in dem öffentlicher Alkoholkonsum nicht verboten ist!
Immer noch nicht überzeugt? Dann weise ich auf tolle norddeutsche Formulierungen hin, wie zum Beispiel „einmal um den Pudding laufen“. Ich meine, wie cool ist das denn? Mindestens so cool wie die Wörter „Puschen“, „feudeln“, „Dösbaddel“ oder „tüddelich sein“, die allesamt in den hochdeutschen Sprachschatz aufgenommen werden sollten. Da kann der Rest Deutschlands definitiv nicht mithalten!
Jetzt habt ihr genug gute Argumente, um bei der nächsten Diskussion überzeugend sagen zu können: „Freiwillig aus Brem‘ wegziehen? Du has’ wohl ’n nassen Helm auf!“