Brow Waxing für den guten Zweck

Augenbrauen und soziale Initiativen haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Bis man beide zu einem wunderbaren Projekt vereint.

Von Henrike Barg

Mit Produktnamen wie „ka-Brow!“, „BROWVO!“ und „browzings“ macht die Beautymarke benefit cosmetics aus den USA geschickt auf ihr Steckenpferd aufmerksam – „WOW Brows!“. Dabei handelt es sich um nichts anderes als schön geformte Augenbrauen. Spätestens seit Models wie Cara Delivigne der internationale Durchbruch gelang, wird ihnen besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Volle buschige Augenbrauen sind kein No-Go mehr, sondern ein Must-Have.

Bold is Beautiful

Mit der Kampagne Bold is Beautiful – zu deutsch in etwa „mutig ist wunderschön“ – nutzt benefit cosmetics diesen Trend gekonnt aus, um auf soziale Projekte und Organisationen aufmerksam zu machen und Geld dafür zu sammeln. In den USA werden gleich mehrere Projekte unterstützt. Sie alle helfen jungen Mädchen und Frauen dabei, ihre Ziele zu erreichen und ihr Potenzial voll auszuschöpfen, unabhängig von ihrem kulturellen oder finanziellen Hintergrund. The princess project zum Beispiel stellt kostenlose Abschlussballkleider zur Verfügung, in dem Programm look good feel better lernen Krebspatientinnen in speziellen Workshops bestimmte Schminktechniken, um der Diagnose mit mehr Selbstbewusstsein gegenüberzustehen und die Organisation Girls inc. bietet Kurse zur Vorbereitung auf das College an.

Die Botschaft hinter dem Projekt ist von den Gründerinnen der Marke benefit cosmetics, den Schwestern Jean und Jane Ford, klar formuliert. Es geht darum, junge Mädchen und Frauen darin zu bestärken, jenseits von langen Wimpern und Lippenstift selbstbewusst, stolz und mutig zu sein. Diese Philosophie soll das Projekt in die ganze Welt hinaustragen.

Mittlerweile wird es in 17 Ländern umgesetzt, in denen in diesem Jahr über 30 verschiedene gemeinnützige Organisationen und Vereine Partner sind. Einer davon ist „Balu und Du“. 

Dschungelbuchfeeling bei Balu und Du

Balu und Du e.V. ist ein bundesweites Mentoringprogramm, das Kinder im Grundschulalter außerhalb der Schule fördert. Durch kreative Freizeitgestaltung, persönliche Fürsorge und ein jederzeit offenes Ohr für Probleme stehen die Balus, die MentorInnen, ihren Moglis, den Kindern, mit Rat und Tat zur Seite. Genau wie der Balu aus dem Dschungelbuch, ist auch der/die MentorIn ein/e große/r FreundIn für den Mogli, auf den er sich immer verlassen kann.

Balus sind oft SchülerInnen oder StudentInnen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten oder ihre berufliche Perspektive im Bereich der Pädagogik sehen. Der Mogli wird von der zuständigen Lehrkraft der Grundschule selbst vorgeschlagen, wenn er oder sie zum Beispiel Schwierigkeiten hat, sich in den Klassenverband zu integrieren, viel alleine auf dem Pausenhof ist oder die Sozial- und Alltagskompetenzen noch nicht weit entwickelt sind. Bei all diesen Problemen hilft das Mentoringprogramm nachweislich, denn es wird kontinuierlich wissenschaftlich begleitet, evaluiert und die Nachhaltigkeit der Entwicklungsfortschritte wird in Studien geprüft. 

Haben sich Balu und Mogli dann gefunden, kann es direkt losgehen. Einmal die Woche für zwei bis drei Stunden verbringt man Zeit miteinander, eröffnet den Moglis dabei neue Erfahrungsfelder und zeigt ihnen, wie viel Schönes und Neues es zu entdecken gibt.
Die Moglis profitieren in einem breit gefächerten Spektrum von dem Projekt. Kompetente Konfliktbewältigung, eine positivere Grundstimmung, mehr Konzentration und Unterrichtsbeteiligung und gesteigerte Unternehmungslust sind nur einige davon. Aber nicht nur den Kindern gibt diese ganz besondere Freundschaft viel. Auch die Balus stellt das Programm vor neue Herausforderungen und lässt sie dabei die Welt noch einmal mit Kinderaugen sehen. 

Gutes tun mit einem Besuch in der BrowBar

Fragt sich nur noch: Wie kann ich diese beiden wunderbaren Projekte unterstützen?
Zunächst einmal funktioniert das Konzept von Bold is Beautiful so: Man geht im Mai diesen Jahres in die nächstgelegene BrowBar, ein kleines Kosmetikstudio von benefit cosmetics, meist in einem Kaufhaus oder einer Parfümerie integriert, und lässt sich dort die Augenbrauen waxen. Für jedes Brow Wax geht eine Spende an die jeweiligen geförderten Projekte, zu denen in diesem Jahr auch Balu und Du zählt.

Wessen Brauen also über den Winter wieder aus der Form geraten sind und wer während der dringend notwendigen Schönheitsbehandlung auch noch Gutes tun möchte, sucht schleunigst die nächste BrowBar Beauty Lounge auf. Als kleiner, in der heutigen Zeit aber eigentlich nicht mehr notwendiger, Wink mit dem Zaunpfahl: Auch Männer sind dort sehr herzlich willkommen. Zum Schluss ganz wichtig: Den Benebabes, also den Kosmetikerinnen vor Ort, unbedingt sagen, dass man wegen der Bold is Beautiful-Aktion gekommen ist.

Wer von dem neuen Wow-Brows-Trend nichts hält, eine akute Waxingphobie hat oder sich alle vorhandenen Augenbrauenhärchen in den 90ern auszupfte: Man kann natürlich auch so Gutes tun, direkt auf der Website von Balu und Du ist ein Spendenlink zu finden. Oder man wird einfach gleich ein Balu, denn einen Standort gibt es auch hier in Bremen. Die dort zuständige Koordinatorin Claudia Fantz ist für alle Fragen rund um das Programm offen. Als aktive Balu hier in Bremen treffe ich sie regelmäßig bei Supervisionen und Schulungen, durfte sie aber auch exklusiv anlässlich der Bold is Beautiful Kampagne interviewen.

Claudia, Balu und Du gibt es ja nun schon einige Jahre, auch hier in Bremen. In deiner langen Zeit als Koordinatorin, was war für dich bisher das schönste Erlebnis?

Puh, das kann ich gar nicht auf den Punkt bringen. Für mich ist das Schönste, dass es ganz leise begonnen hat, ganz unspektakulär mit acht Tandems und es am Anfang hieß, dass wir wahrscheinlich für ein bis zwei Jahre Förderer finden. Mittlerweile unterstützen uns seit zehn Jahren wohlgesonnene Förderer und wir sind bei 50 bis 60 Balus pro Jahr.

Dass das in der Qualität nach wie vor zu halten ist, freut mich unglaublich. Dass mich zwanzig Menschen in der Steuerungsgruppe unterstützen, die das gesamte Projekt mittragen, die alles Mögliche tun, damit es den Balus gut geht, ist wunderbar. Dass wir im Laufe der Zeit immer die richtigen Balus angezogen haben, also junge Erwachsene, die sich hinterfragen, die mit Herz und Verstand dabei sind, ihre Gefühle auch ausdrücken und ehrlich mit sich selbst sind, rührt mich immer wieder. In den Supervisionen denke ich regelmäßig: „Was für wunderbare junge Menschen!“.

Und der Effekt auf die Kinder, da schlackere ich immer wieder mit den Ohren. Es wurde erst kürzlich wissenschaftlich nachgewiesen, dass, wenn Balus in das Leben der Moglis treten, sie diejenigen sind, die die Weichen für eine bessere Bildung stellen. Wenn zum Beispiel ein Dritt- oder Viertklässler einen Balu zur Seite gestellt bekommt, dann trauen sie sich, die Empfehlung der LehrerInnen – etwa auf der Hauptschule zu gehen – zu hinterfragen, stellen sich auf die Hinterbeine und sagen „Nein, ich möchte auf das Gymnasium“ oder „Ich möchte auf die Realschule“, „Meine Balu traut mir das zu, meine Balu hat mit meiner Mama gesprochen und jetzt traut sie mir das auch zu“. Wenn das Kind dann auf ein Gymnasium geht, dann werden Biografien verändert. Das ist unglaublich. Was das Projekt auf so vielen Ebenen bewirkt, zum Beispiel was es gegen soziale Ungerechtigkeit tut, das berührt mich einfach. Auch gesellschaftlich gesehen ist das wirklich enorm.

Beschreibe in ein paar Worten: Was erwartet die zukünftigen Balus und Moglis?

Bestenfalls eine Freundschaft. Und zwar auf Augenhöhe. Eine Freundschaft, bei der beide voneinander profitieren.
Die meisten Argumente der Balus, die ich im Nachhinein höre, sind, dass das Mogli ihnen beigebracht hat, die Welt wieder mit Kinderaugen zu sehen. Das ist alles ein bisschen magisch und ich finde, es ist ein kostbares Gut, wenn man dort wieder anknüpfen darf. Es ist einfach ein Jahr voller Spaß. Daneben ermöglichen die Trainings, Coachings, Workshops und Supervision den Balus persönliches und berufliches Wachstum. Da kann so ein Programmjahr so einige Lebensthemen anstoßen und zu positiven Veränderung führen.

Aus gegebenem Anlass konntest du kürzlich bei einem Event von benefit cosmetics in Hamburg dabei sein, in das Bold is Beautiful Projekt reinschnuppern und Balu und Du vorstellen. Was hast du erlebt?

Es war im Grunde eine klassische Werbeveranstaltung. Die Tochter der Gründerin von benefit cosmetics, Annie Ford Danielson, ist aus San Francisco eingeflogen und hat das Projekt Bold is Beautiful vorgestellt. Bis jetzt haben sie schon über 11 Millionen Dollar nur mit Eyebrow Waxing eingenommen. Das ist natürlich der Hammer. Es wird sogar gemunkelt, dass es dieses Mal mehrere Tausend Euro sind, die in Deutschland zur Verfügung stehen werden. Das würde also bedeuten, dass Balu und Du e.V die Hälfte davon erhält und die andere Hälfte geht an die Frauenstiftung Filia.

Nach dem Vortrag von benefit cosmetics haben sich dann die diesjährigen Projekte vorgestellt, sprich Filia und Balu und Du e.V. Anwesend waren am Vormittag unter anderem Reporter der Cosmopolitan und der Brigitte. Die Crème de la Crème der Presse.

Nachmittags kamen dann die Influencer. Dementsprechend haben wir unseren Vortrag gekürzt und das Ganze etwas knackiger gestaltet, im lebendigen YouTube-Style (lacht). Danach saßen wir mit Annie am Tisch und es wurden Fragen gestellt. Die Influencer nutzen die Chance, sich gegenseitig kennenzulernen und über die Highlights der benefit Produktpallette zu schwärmen. Für Balu und Du war in diesem Moment nicht wirklich Raum.

Zwei junge Frauen waren jedoch dabei, Nihan, eine YouTuberin mit über 800.000 Abonnenten, die selber Deutsch-Türkin ist, und Jolina Mennen aus Bremen. Mit den beiden konnte ich über einen Supervisionsfall von uns sprechen. Wir hatten ein Mädchen mit Fluchtbiografie im Programm, bei der der Vater nicht einverstanden war, dass sie eine Balu bekommt. Nihan und Jolina haben uns dazu ermutigt, dass wir männliche Lehrkräfte oder Direktoren mit Migrationshintergrund bitten sollten, das Gespräch mit dem Vater zu suchen. Sie würden als Autoritäten anerkannt.

Nach unserem Gespräch dachte ich, ich lade die beiden vielleicht mal zu uns in die Supervision ein. Nihan hat unter anderem Videos gemacht zum Thema Migration gedreht. Sie hat sich viel mit dem Thema auseinandergesetzt und hatte einen guten Zugang dazu. Jolina hat die Transformation von einem Mann zu einer Frau durchlebt, ist sich treu geblieben und ihrem Traum gefolgt. Das hat mir beides imponiert.

Nach dem Interview haben Claudia und ich noch ein wenig über Influencer geplaudert, über Oberflächlichkeit und natürlich über das Eyebrow Waxing. Sie selber gehört eher dem Zupf-Lager an. Ich bin mir aber sicher, im Monat Mai geht es meinen Augenbrauen mit etwas Wachs und viel gutem Gewissen an den Kragen.