Elisabethanisches Theater im Gangsterkomödiengewand
Bremen kann viel mehr als Stadtmusikanten und altes englisches Theater, viel mehr als Romeo und Julia. Das Maiden Thought Theatre lädt uns ein, die Dinge ganz anders zu betrachten und schickt uns auf eine packende Reise in vergangene Zeiten, die vielleicht doch gar nicht so verstaubt sind, wie sie scheinen.
Von Henrike Barg
Shakespeare kennt nun wirklich jeder und man sollte meinen, dass auch das elisabethanische Zeitalter über den Anglistik Studiengang hinaus vielen Menschen ein Begriff ist. Spätestens seit das Stück „Gallathea“, aufgeführt vom Maiden Thought Theatre, 2017 Premiere feierte, ist dies auch jedem Bremer bekannt. Am 01. Mai diesen Jahres öffnet das Schnürschuh Theater wieder seine Pforten für die zweite Produktion des Erfolgskollektivs um Frances Byrd und Julia Arroja da Silva. Frances ist Mitgründerin des Theaters, Dramaturgin und Komponistin des neuen Stücks und spielt sogar noch eine der Hauptrollen. Julia ist die Regisseurin. Diesen beiden großartigen Künstlerinnen durfte ich exklusiv bei den Proben über die Schulter schauen und sie danach über ihr neuestes Werk „Arden of Feversham“ ausfragen.
2017 fand die Aufführung eures ersten Stückes „Gallathea“ statt, ein Stück aus dem elisabethanischen Zeitalter, dem sich das Maiden Thought Theatre widmet. Warum denn ausgerechnet England und dieses Zeitalter?
Frances: Die Mitgründerin vom Maiden Thought Theatre, Aenne Pallasca, und ich haben uns über das englische Theater hier an der Uni kennengelernt und so kamen wir damit in Berührung. Wir finden es total fantastisch und identifizieren uns mit diesen Stücken mehr als mit dem deutschen Theater. Später kam die Idee auf, dass man die Stücke, die damals geschrieben wurden, dem Publikum von heute näher bringen muss. Weil es so fantastische Werke sind, die heute kaum einer mehr kennt. Man denkt immer, dass das elisabethanische Theater nur aus Shakespeare besteht und dass es niemand mehr versteht. Aber im Grunde sind es einfache Witze, die heute noch genau so gemacht werden. Es ist kein Theater für irgendeine Elite. Es ist Theater für das Volk, für die Masse. Wir wollten eben dieses Gefühl wiederkreieren. Theater ist für alle gedacht und so sollte es auch heute noch sein.
Arden of Feversham ist schon eure zweite Produktion. Was sind denn besondere Herausforderungen und was habt ihr vielleicht schon daraus gelernt?
Julia: Im Gegensatz zu vorher sind wir bei diesem Stück einfach viel besser aufgestellt von der Produktionsseite her. Wir haben ein viel klarer und professioneller aufgestelltes Produktionsteam mit mehr Leuten und klaren Verantwortlichkeiten. Das macht unsere Arbeit natürlich viel einfacher und auch professioneller, als man es vielleicht von einem Laienverein erwarten würde.
Wie sieht es mit den Kostümen aus? Die waren schon bei „Gallathea“, wo ihr die 90er habt aufleben lassen, wahnsinnig toll. Wo bekommt ihr die her?
Julia: Unterstützung bekommen wir dieses Mal, wie auch schon bei Gallathea, von vielen Bremer Secondhandläden. Außerdem haben wir eine sehr kreative Kostümbildnerin in unserer Mitte, Juli. Sie macht aus Lumpen Abendkleider, näht selber, ist wirklich begabt und zaubert wunderbar fantasievolle Stücke.
Frances: Einmal habe ich ein altes Theaterkostüm, das aussah wie ein Putzkittel, mitgebracht. Sie hat es mir übergeworfen, kurz daran rumgesteckt und am Ende sah es fantastisch aus! Oder sie schlingt mir einen großen braunen Schlauch um den Körper und am Ende ist es dann ein Abendkleid. Sie kann wirklich alles, das ist unfassbar!
Viele der Darsteller sind Studenten. Was bringt das für Chancen mit sich?
Julia: Ein Drittel sind Studenten. Unser Cast ist zwischen 18 und 72 Jahren alt, vom pensionierten Schifffahrtskapitän bis zum Postboten ist alles dabei. Das macht unsere Gruppe unheimlich divers und vielseitig kreativ, weil die Leute sehr unterschiedliche Hintergründe haben und auch ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, wie Dinge aussehen und wie sie entstehen können. Ein Vorteil der englischen Sprache ist es auch, dass wir dadurch Menschen im Team haben, die keine deutschen Muttersprachler sind. Und zwar nicht zu wenige. Wir sind sehr multinational.
Eure Zuschauer auch?
Frances: Erhoben haben wir das nicht. Es gibt aber im Moment kein breites Angebot an englischsprachigem Theater hier in Bremen und dadurch haben wir das Glück, dass viele verschiedene Menschen in unserem Publikum sitzen.
Nun zum Wichtigsten: Worum geht es in eurem neuen Stück Arden of Feversham?
Frances: Es geht um Thomas Arden und seine Frau, die eine ganz furchtbare Ehe führen, in der alles schief geht. Das verleitet seine Frau dazu, ihn auf möglichst unfriedliche Art und Weise loszuwerden. Das schafft sie alleine nicht, und die entsprechende Hilfe sucht sie sich dann im Laufe des Stückes.
Julia: Und da Thomas Arden kein Mann ist, der sehr viele Freunde in seinem Umfeld hat, ist das auch nicht so schwer.
Klingt sehr spannend. Wie kamt ihr denn überhaupt auf die Idee, genau dieses eher unbekannte Stück auszuwählen?
Frances: Die andere Gründerin und ich haben recherchiert, was man außer den klassischen drei Shakespeare Stücken noch machen kann. Als wir dann auf Arden of Feversham gestoßen sind, haben wir uns direkt total verliebt und es auch für gut umsetzbar gehalten. Eine weitere selbstgestellte Aufgabe von uns ist es, dass wir unbekannte Texte gerne bekannter machen wollen. Das war bei Gallathea auch schon so.
Julia: Danach wurde ich dann gefragt, ob ich das Ganze inszenieren möchte.
Bis heute ist die Autorschaft vom Werk unbekannt, es wird aber gemunkelt, dass es von Shakespeare, Marlowe oder Kyd sein könnte. Was meint ihr dazu?
Frances: Ich als Dramaturgin habe mir das Stück natürlich sehr genau angeguckt und ich weiß es nicht. Man muss natürlich sagen, dass es auch sehr gut zum Inhalt des Stücks passt, dass man nicht weiß, wer’s war. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass es eine Kooperation aus mindestens zwei der Autoren war, da auch historisch belegt ist, dass alle von ihnen mal in Faversham waren. Ich selber war tatsächlich auch dort und habe mir das Haus der Ardens angeschaut.
Julia: Das Ganze basiert ja auf einem wahren Kriminalfall, den es in Faversham gab und dieses Haus der Familie Arden steht dort auch heute noch.
Frances: Lange Rede kurzer Sinn – eigentlich ist es mir persönlich egal, Hauptsache ist, dass es geschrieben wurde!
Wo wir schon beim Original sind – gibt es Unterschiede zu eurer neuen Produktion?
Julia: Nein, wir haben praktisch nichts geändert.
Frances: Das ist uns auch wichtig. Diese Prämisse, dass das Alte gar nicht so alt und gehoben ist, wie man denkt. Es ist eine total normale und sehr bildhafte Sprache, die man gut darstellen kann, auch wenn man nicht fließend Englisch spricht. Den Autoren von damals war es wichtig, das ganze Volk mitzuziehen, und das ist uns auch heute wichtig. Das funktioniert einfach über den Text, da muss man nichts ändern.
Deswegen sind die Themen, die im Stück aufgegriffen werden, auch noch zeitgemäß.
Frances: Ja genau, es ist total menschlich und es sind universell verständliche Gefühle und Handlungen, die die Charaktere an den Tag legen.
Julia: So etwas verliert einfach nicht an Aktualität. Die Themen, die die Figuren im elisabethanischen Theater umtreiben, sind genauso aktuell für das Publikum heute, wie für das Publikum damals, das ändert sich nicht. Deswegen können wir einfach den alten Text nehmen und in modernere Zeit setzen. Es ist immer noch übertragbar. Inhaltlich fällt gar nicht auf, dass es so alt ist.
Eure Adaption soll ja eine Hommage an den Film Noir sein. Warum und vor allem wie macht ihr das?
Julia: Es ist eine Gangster Geschichte. Egal wie man es dreht und wendet, diese Filmgattung bot sich als Genre und ästhetischer Anker einfach an. Und unsere Kostümbildnerin hat das hervorragend umgesetzt. Weiter untermalt wird das Ganze noch mit einer entsprechenden Beleuchtung. Außerdem gibt es wahnsinnig schöne Musik, komponiert von Frances, die auch der Zeit entspricht und von einer Live Band auf der Bühne während des Stücks gespielt wird. Und dann bedienen wir uns vielleicht noch dem einen oder anderen Klischee.
Worauf darf sich der Zuschauer freuen?
Julia: Auf ein witziges, total schnelles Stück mit viel Musik, Tanz und Gesang. Es wird eine mit hervorragender Musik untermalte Gangsterkomödie. Einfach ein großes Spektakel.
Frances: Eine Geisterbahnfahrt der Gefühle.
Frances findet die abschließenden Worte, die mir nach dem Erleben der Probe fehlten. Eine solche Harmonie und Energie, sowohl unter den Darstellern, als auch auf der Bühne, habe ich selten erlebt. Ich mir sicher, dass sich die alte Elisabeth auch heute noch hervorragend unterhalten fühlen würde, dürfte sie am 01.Mai bei „Arden of Feversham“ im Publikum sitzen.
Karten für die Vorstellungen:
An der Theaterkasse des Schnürschuh Theaters oder online auf der Website.
Premiere am 01. Mai 2018, 19:30 Uhr
Weitere Vorstellungen am 03./04./11./12. Mai, jeweils 19:30 Uhr