Kanadas oberster Poet zu Gast an der Uni Bremen

George Elliott Clark beim Kanada-Studientag

Courtesy: Official Portrait, George Elliott Clarke (2016)

Von Lisa Urlbauer

Seit gut 40 Jahren schreibt George Elliott Clark: Romane und Kritiken, Theaterstücke – und vor allem Gedichte. Clarke ist Pionier auf dem Gebiet der Forschung Kanadisch-Afrikanischer Literatur. Seit Januar 2016 trägt der Professor der University of Toronto den Titel des „Canadian Parliamentary Poet Laureate“ – und wirbt damit zwei Jahre lang für die Bedeutung von Literatur, Kultur und Sprache in der kanadischen Gesellschaft und darüber hinaus. Zum Kanada-Studientag hat das BIKQS (Bremer Institut für Kanada und Québec-Studien) den 56-Jährigen im Dezember zu einer Lesung an die Universität geholt.

George Elliott Clarkes Resümee ist beachtlich: Acht Ehrendoktortitel und zivile Verdienstorden der Provinz Nova Scotia und Kanadas hat er inne. Er hat an der Duke University in den USA, der McGill University, der University of British Columbia und in Harvard unterrichtet. Im Januar 2016 ernannte das kanadische Parlament Clarke zum Poet Laureate (was auf lateinisch so viel wie lorbeergekrönter Dichter bedeutet).

Poesie fürs Parlament

Mit dieser Position ist er der oberste Repräsentant der kanadischen Lyrik und seinen Dichtern; verfasst Gedichte für offizielle Staatstermine, vertritt kanadische Poesie im Ausland und unterstützt die Parlamentsbibliothek in der Auswahl der Bücher. Und das, obwohl Clarke fast ausschließlich anglophon ist. „Ich muss einfach akzeptieren, wie andere Künstler auch, dass meine Arbeit in Québec und anderen französischsprachigen Regionen Kanadas weniger bekannt ist und dass ich für ein englischsprachiges Publikum schreibe“, sagt Clarke. „Ich versuche 35 Millionen Kanadier zu repräsentieren und alles, was ich auf nationaler Ebene mache, wird auch übersetzt. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinem französischen Übersetzer und wir versuchen sicherzustellen, dass meine Arbeit einen Weg in die französische Sprache und die französischen Medien Kanadas findet.“

Bisher habe man erst ausgewählte Gedichte Clarkes ins Französische übersetzt; vollständige Werke von ihm sind neben Englisch bisher auf Italienisch, Rumänisch und Chinesisch verfügbar. „Im Allgemeinen sind englischsprachige Künstler und Intellektuelle einer englischsprachigen Öffentlichkeit zugewandt. Natürlich hoffen wir, dass unsere Arbeit in den USA aufgegriffen wird, was für uns in Bezug auf ein englischsprachiges Publikum eine Goldmine ist. Und falls dein Buch in den USA tatsächlich aufgegriffen wird, hast du größere Chancen eine Übersetzung auf Französisch zu bekommen – besonders bei einem Beststeller.“

„Falls dein Buch in den USA aufgegriffen wird, hast du größere Chancen eine Übersetzung auf Französisch zu bekommen – besonders bei einem Beststeller.“

Clarke erzählt, dass wohl alle seine Bücher auf irgendeine Art und Weise politisch seien – vorpredigen möchte er allerdings nichts. „Ich möchte Realität und Geschichte so reflektieren, wie ich sie wahrnehme und das dann an die Leser weitergeben“, so der 57-Jährige. „Aber ich schreibe nicht in erster Linie, um politische Standpunkte zu vertreten, sondern um Geschichte zu erzählen und mich auszudrücken. Meine eigenen Gefühle, Positionen, Ideen. Einige davon sind halt politisch – aber nicht programmatisch oder ideologisch.

„Bei einem Gedicht bist du ein Einsiedler“

George Elliott Clarke schreibt Romane, Theaterstücke und Gedichte. Er möge die Mischung von Genres – aber bevorzuge definitiv die Poesie. Die Belohnung sei schneller und direkter, auch wenn es Jahre dauern könne, bis man überzeugt davon sei, dass ein Gedicht fertig ist. „Im Allgemeinen, auch wenn ich Gedichte nachträglich noch bearbeite, kann ich spüren, dass das Gedicht nach dem Schreiben fertig ist.“ Vor allem sei er die Person, die beurteilen dürfe, ob es fertig sei. „Bei einem Gedicht bist du ein Einsiedler. Niemand kümmert sich darum oder muss sich darum kümmern. Wenn du aber einen Roman schreibst, begibst du dich in eine Industrie, das Verlagsgewerbe.“ Das kommerzielle Interesse sorge dafür, dass man nicht einfach Romanautor sein könne – denn viele Leute würden sicherstellen, dass auch viele Exemplare verkauft werden. „Außer natürlich, du bist J.K. Rowling oder jemand anderes, mit vielen Bestellern. Ich bin mir sicher, sie kann machen, was sie möchte und ihre Verleger sind damit einverstanden.“

„Autoren wie ich, die keine Beststeller schreiben, müssen auf ihre Verleger hören und den Ratschlägen ihrer Lektoren folgen“, erklärt Clarke. „Es ist okay, mich stört das nicht, denn sie kennen den Markt auf jeden Fall besser als ich. Und sie haben Ahnung wie man am besten eine Arbeit strukturiert und einen Charakter positioniert. Aber es ist ein großer Unterschied von der Abgeschiedenheit, die man als Dichter erlebt.“

Africadian: schwarze Communities im Osten Kanadas

Mit seinen Forschungen hat Clarke die akademische Welt geprägt. 1990 hat er den Begriff Africadian eingeführt. Dieser beziehe sich speziell auf die schwarzen Communities an der Ostküste Kanadas; vornehmlich in der Provinz Nova Scotia, aber auch in New Brunswick und Prince Edward Island.
Es ist ein Begriff in Entwicklung. Ich habe in 1990 eingeführt und er bezieht sich speziell auf die schwarzen Communities an der Ostküste Kanadas. Vornehmlich Nova Scotia, aber teilweise auch New Brunswick und Prince Edwards Island. „Diese Provinzen haben historisch gesehen schwarze Bevölkerungen, die ungefähr zeitgleich in den Provinzen angekommen sind. Gleichzeitig sind es Nachfahrern der französischen Arkadier. Kollektiv gesehen sind die Provinzen alle Kolonien der französischsprachigen Akadier. Ich habe mir den Begriff ‚Africadia’ für den geographischen Raum überlegt und ‚Africadian’ für die Menschen und ihre Kultur, aus dem Grund, dass die historische Bezeichnung für das Gebiet ‚Acadia’ war.“
Die Erlebnisse und Erfahrungen von Africadians verarbeitet Clarke in Lyrik und Prosa. Eine Gruppe, die noch nicht vollständig Teil der kanadischen Gesellschaft geworden sei.


Salvation Army Blues

Seeking after hard things
muscular work or sweat-swagger action
I rip wispy, Help Wanted ads,
dream of water-coloured sailors
pulling apart insect wings of maps,
stagger down saxophone blues avenues
where blackbirds cry for crumbs.
I yearn to be Ulyssean, to roam
foaming oceans or wrest
a wage from tough, mad adventure.
For now, I labour language,
earn a cigarette
for a poem, a coffee
for a straight answer,
and stumble, punch-drunk,
down these drawn-and-quartered streets,
tense hands manacled,
to snarling pockets.

Aus: Jon Paul Fiorentino, Blues and Bliss: The Poetry of George Elliott Clarke, Waterloo, Ontario (CA): Wilfried Laurier University Press (2008).

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