„Schnelles Internet ist die Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt“
11 Fragen an Lencke Steiner (FDP)
Selten zuvor wurde den Bremern und Bremerinnen an einem einzigen Tag so viel politische Verantwortung zuteil, wie es am kommenden Sonntag der Fall sein wird. Zeitgleich mit der omnipräsenten Europawahl, durch die die Weichen für das kommende Europaparlament gestellt wird, findet hier die Bürgerschaftswahl statt. Wir haben im Vorfeld die Kandidaten und Kandidatinnen um ein kurzes Interview gebeten. Unser Augenmerk lag dabei natürlich auf studentischen Belangen und den drängenden Problemen unserer Stadt.
Im dritten Teil kommt die jüngste Spitzenkandidatin zu Wort: Lencke Steiner von der FDP.
Die Antworten dieser Interview-Reihe spiegeln nicht zwangsläufig die Meinungen der Redaktion wieder.
Frau Steiner, wie wollen Sie dafür sorgen, dass es mehr bezahlbaren Wohnraum für Studierende gibt?
Für mehr bezahlbaren Wohnraum für Studenten ist das Bauen am wichtigsten. Dafür sind an den richtigen Orten die richtigen Flächen zur Verfügung zu stellen. Unter anderem sollen Gewerbegebiete, die nicht mehr funktionieren, in Wohngebiete umgewidmet werden, damit zügig mehr Flächen entstehen. Wir würden uns auch wünschen, dass man Dachaufstockung betreibt und Baulücken schließt. Gleichzeitig müssen auch das Studierendenwerk und die GEWOBA ihre Beiträge leisten. Insbesondere die GEWOBA muss ihre Bautätigkeit beim Bau von Studentenwohnungen erhöhen.
Wie stehen Sie zu einer Erhöhung des Tarifs für studentischen Hilfskräfte, der in Bremen niedriger ist als etwa in Berlin?
Wir als FDP sind dafür, dass die Tarifparteien gestärkt werden. Wir finden es gut, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam auf einen entsprechenden Lohn einigen. Wir halten einen Tarifvertrag für geeignet, wichtige Fragen für die Studierenden zu klären.
Gerade Studierende sind gerne mit dem Rad unterwegs. Sollte das Bremer Verkehrsnetz zugunsten von Radfahrern ausgebaut und sicherer gemacht werden?
Für uns Freie Demokraten ist die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer wichtig. Fahrradfahrer sind in Bremen von vielen maroden Fahrradwegen betroffen. Daher sollte in die Sanierung der Wege prioritär Geld fließen. An den richtigen Stellen finden wir aber auch den Ausbau von Radwegen wichtig, solange da kein anderer Verkehrsträger Nachteile von hat. Wir fänden es beispielsweise schön, wenn es entlang der Weser durchgängige Radwege gäbe. Zugunsten der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer sollte der Radverkehr außerdem mehr kontrolliert werden, da es unter den Radfahrern leider viele “Rowdy-Fahrer” gibt.
Wie stehen Sie zu Volksentscheiden und grundsätzlich zum Mitgestaltungsrecht der Bürger am politischen Geschehen?
Wir Freie Demokraten sehen Volksentscheide und Volksbegehren als wichtiges Mitgestaltungsrecht der Bürgerinnen und Bürger an. Daher setzen wir uns dafür ein, diese Formen der Mitgestaltungsmöglichkeiten zukünftig zu stärken, etwa in dem die notwendigen Quoren1 abgesenkt werden. Allerdings sollten die Bürger vor Volksentscheiden neutral informiert werden mittels Broschüren, in denen Pro- und Contra-Argumente aufgeführt sind. Der Senat sollte sich nicht im Vorfeld in die Meinungsbildung einmischen.
Volksentscheide sind ein wichtiges Mitgestaltungsrecht der Bürgerinnen und Bürger
In Bildungsstudien wie PISA und IQB belegt Bremen bundesweit regelmäßig den letzten Platz. Wie wollen Sie das Bildungsniveau verbessern?
Bremens Schulsystem braucht einen Paradigmenwechsel. Einen wichtigen Beitrag zu diesem Paradigmenwechsel ist aus unserer Sicht die Stärkung des Leistungsgedanken in den Schulen. Dazu wollen wir etwa die Noten ab der dritten Klasse und das unfreiwillige Sitzenbleiben wiedereinführen. Zusätzlich wollen wir das Gymnasium in Bremen stärker in den Fokus rücken und den großen Bedarf an Gymnasialplätzen durch zwei Neugründungen decken. Es sollen mehr vorschulische Sprachkurse für Kinder mit Sprachdefiziten angeboten werden. Um den Lehrermangel zu bekämpfen, wollen wir die Bezahlung der Lehrkräfte verbessern und dafür sorgen, das sie in den Schulen eigene Büros haben, sodass sie auch vor Ort arbeiten und ansprechbar sein können.
Wie ist Ihre Haltung zur Digitalisierung im Bildungswesen, etwa WLAN an Schulen, interaktive Whiteboards oder Tablets für die Schüler?
Die Digitalisierung in der Bildung steckt in Bremen aber auch in ganz Deutschland noch in den Kinderschuhen. Das digitalste in der Schule sind bisher die Pausen. Das wollen wir Freie Demokraten ändern und endlich eine vernünftige digitale Ausstattung in die Schulen bringen. Dazu gehört schnelles WLAN und moderne Tablets und Whiteboards. Das darf aber nicht bei der Ausstattung aufhören, vielmehr müssen auch digitale Inhalte wie etwa das Programmieren Teil des Unterrichts sein. Mit sogenannten “Bee Bots” können beispielsweise schon Vorschulkinder auf spielerische Weise die Prozesse des Programmierens erlernen.
Programmieren soll Teil des Unterrichts werden
Beim Thema öffentliches WLAN ist Deutschland gegenüber anderen europäischen Staaten im Rückstand. Möchten Sie dafür sorgen, dass es in Bremen mehr WLAN-Hotspots gibt?
Ja, wir setzen uns für mehr öffentliche Hotspots mit freiem WLAN in Bremen ein. Um die WLAN-Struktur auszubauen, müssen wir mit Anbietern in Kontakt treten, die die höchste Netzwerkgeschwindigkeit gewährleisten. Schnelles Internet ist die Grundvoraussetzung für Digitalisierung und dem gesellschaftlichen Fortschritt. Man muss auch bedenken, dass heutzutage über Onlinezugänge viel Bildung kostenfrei vermittelt werden. Wenn es in Bremen schon an der Bildung hapert, sollte man den Menschen wenigstens freies WLAN anbieten, um sich selber informieren zu können.
Schnelles Internet ist die Grundvoraussetzung für Digitalisierung und dem gesellschaftlichen Fortschritt
Wollen Sie sich dafür einsetzen, dass das Land Bremen seine Schuldenberg abbaut und wenn ja, an welchen Stellen sollte eingespart werden?
Wir wollen 2030 den Schuldenstand unter 20 Milliarden Euro bekommen. Doch da wir in Bremen einen großen Investitionsstau haben, können wir nicht das ganze Geld für die Schuldentilgung einsetzen. Es ist es wichtig, das zusätzliche Geld aus Berlin dafür einzusetzen, Schulden abzubauen und gleichzeitig in die Schulbildung, die Ausfinanzierung des Wissenschaftsplans und die Infrastruktur zu investieren.
Sind die Maßnahmen zur Integration von geflüchteten Zuwanderern in Bremen ausreichend und wenn nicht, was muss verbessert werden?
Bei der Integration von Flüchtlingen ist die Sprachförderung weiter zu verbessern. Außerdem gibt es bei der Anerkennung von ausländischen Berufs- und Bildungsabschlüssen noch viel Luft nach oben.
Bremen hat auch mit Kriminalität zu kämpfen, so etwa mit der Clan-Kriminalität. Wie gedenken Sie, die innere Sicherheit zu verbessern?
Das wichtigste Mittel im Kampf gegen Kriminalität ist eine (personell) gut ausgestattete Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz. Wir setzen uns daher für eine höhere Zielzahl bei der Polizei von 2.900 Beamtinnen und Beamten in Bremen und 540 in Bremerhaven ein. Zwischen Straftat und Verurteilung darf insbesondere bei jungen Täterinnen und Tätern nicht mehr so viel Zeit vergehen. Daneben spielt auch die Sauberkeit einer Stadt eine wichtige Rolle im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung. Dafür wollen wir den Ordnungsdienst stärken. Wichtig ist in dem Zusammenhang auch, dass die Polizei in der Gesellschaft wieder mehr Respekt bekommt, denn die Gewalt gegenüber Polizeikräften nimmt massiv zu.
Was ist Ihre Haltung zu Cannabis? Soll es legalisiert werden oder nicht?
Wir wollen Cannabis entkriminalisieren. Wer nur sich selbst schadet, soll nicht vom Staat bestraft werden. Wir stellen uns im Sinne der Prävention kontrollierte Abgabestellen vor, die Cannabis nur an Volljährige abgeben. So kann nicht nur der Dealer arbeitslos gemacht werden, sondern gleichzeitig der Jugendschutz gestärkt werden.
Dieses Interview führte Florian Fabozzi.
Lencke Steiner wurde am 6. September 1985 in Bremen geboren und ist Spitzenkandidatin der FDP im Land Bremen. Von 2004 bis 2007 absolvierte sie ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre bei der Hinrich Böttjer GmbH und der Bremer Akademie der Wirtschaft. Neben eines B.A.-Abschluss erwarb sie einen Abschluss zur zur Groß- und Außenhandelskauffrau. An der Privaten Hochschule für Wirtschaft und Technik schloss sie ein weiteres Studium als Diplom-Kauffrau ab. Von 2008 bis 2009 arbeitete sie als Key-Account-Managerin beim Unternehmen W-Pack Kunststoffe GmbH & Co. KG, das von ihrem Vater geführt wird. Seit 2010 ist sie Geschäftsführerin des Unternehmens. Am 15. November wurde die bis dahin parteilose Steiner zur Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl 2015 ernannt. Mit 6,6 % Stimmenanteil zog sie ins Parlament ein.