Von Knalltüten, Pulverfässern und Weltpolitik

Ein Rückblick auf das Jahr 2017

Von Christine Leitner

Als ich vor nicht allzu langer Zeit Facebook wieder einmal einen Besuch abstattete, sprang es mir direkt ins Auge. In dicken Lettern prangte das Wort des Jahres 2017 ganz oben groß und fett in meinem News-Feed: Jamaika-Aus. Jamaika-Aus?! Was sollte das denn bitte schön bedeuten? Jamaika hatte doch noch nicht einmal angefangen! Jamaika war lediglich ein Traum, an den sich die Knalltüten Merkel und Co. gerade vorsichtig herantasteten. Und der natürlich platzen musste. Jetzt schon von einem Aus zu sprechen, wo doch das Vorhaben noch nicht einmal begonnen, jedoch bereits zur Utopie deklariert worden war, kam mir ein wenig lachhaft vor. Und mal ganz ehrlich: Gab es nicht wichtigere und prägendere Errungenschaften in diesem Jahr als die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen? Sogleich hinterließ ich einen Kommentar, in dem ich meine Meinung kundtat und das Wort des Jahres als unkreativ abtat. Womit ich nicht gerechnet hatte: Knapp eine Minute später erhielt ich von einem ZDF-Redakteur eine freundliche Antwort, in der ich aufgefordert wurde, selbst kreativ zu werden. Homo-Ehe, #metoo, Trumpsches Desaster, Kimsche Bombe, der Schulzzug, Messias von Würselen, Hasskommentar, Wahlkampf ohne Inhalt, Sorge der zurechtgerückten Politik, Presse Erdogans…

Wer Hasskommentare gegen Rechtspopulisten und -extremisten veröffentlicht und dazu aufruft, sich gegen sie zu stellen, ist nicht viel besser, als die Populisten selber.

Es gibt so viele wunderschöne Bezeichnungen für so vieles, das in diesem Jahr passiert ist. Mein persönlicher Favorit ist die Sorge der zurechtgerückten Politik. Wie groß war doch der Aufschrei in der Bevölkerung aber auch in der Politik, als die AfD mit 12,6 Prozent auf Platz drei und damit vor FDP, Grünen und Linken auf dem Siegertreppchen landete. Doch auch der Sieg der rechtspopulistischen Partei FPÖ im Nachbarland Österreich macht den Deutschen Sorge. Ob die Sorge um die zurechtgerückte Politik gerechtfertigt ist? Öffentlich über die AfD herzuziehen, die Bevölkerung gegen sie zu mobilisieren und ihre Vertreter nicht mehr zu Polit-Talkshows einzuladen, erscheint kaum als plausible Lösung. Denn wer Hasskommentare gegen Rechtspopulisten und -extremisten veröffentlicht und dazu aufruft, sich gegen sie zu stellen, ist nicht viel besser als die Populisten selber und stellt sich damit mit ihnen auf eine Stufe. Darüber hinaus leben wir in einer Demokratie und in einem solchen System ist es erlaubt, bestimmte Meinungen zu vertreten, sie zu artikulieren, auch, wenn sie nicht von allen geteilt werden. Verwiesen sei hier auf die Meinungsfreiheit, die in unserem Grundgesetz verankert ist. Schließlich steht es jedem zu, bei den Wahlen seine Stimme so zu vergeben, wie er es für richtig hält und nicht, wie es von der Mehrheit der Bevölkerung vorgeschlagen und in den Medien propagiert wird. Man sollte nicht vergessen, dass die Wähler ihre Gründe haben. Und wer weiß, vielleicht haben sie ja mit ihrer Wahl die Politik ein klein wenig zurecht gerückt. Auch wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung den Rechtsruck fürchtet. Manchen Politikern jedoch mag das Wahlergebnis zurecht geschehen und den Kopf wieder zurecht rücken.

Auf Platz zwei meiner Favoriten-Liste steht der Wahlkampf ohne Inhalte. „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Geht’s noch inhaltsloser? Das Eigenlob der CDU stinkt darin ja bis zum Himmel. Die müssen sich wirklich nicht wundern, wenn die AfD in vier Jahren wieder einen großen Sieg einfährt. Genauso schwammig wie ihr Wahlprogramm ist auch jetzt ihr Vorgehen bei der Bildung einer neuen Regierung. Wie lange das wohl dauern wird? Hoffentlich nicht bis zu den nächsten Bundestagswahlen

Ohne das Kasperletheater von Schulz wäre der Wahlkampf wahrscheinlich noch langweiliger gewesen.

Platz drei belegt der Messias von Würselen, denn, mal ganz ehrlich, ohne das Kasperletheater von Schulz wäre der Wahlkampf wahrscheinlich noch langweiliger gewesen. Aber so hatte man wenigstens neben den anderen Knalltüten und Witzfiguren einen Kasper, der für so manchen Lacher sorgte. Bundeskanzler wollte er werden, in seiner Wolke der Illusion schwebte er durch den Wahlkampf und ging schließlich als beleidigter Verlierer daraus hervor. Mit soliden Entscheidungen hat es der Mensch scheinbar auch nicht ganz so. Erst beleidigt die Bundeskanzlerin abwimmeln und sich dann doch zu Gesprächen für eine erneute GroKo an den Tisch setzen. Bei der Entscheidungsfreude kann das noch lange dauern, bis sich hier in Deutschland etwas tut.

Ganz anders sieht es bei der Weltpolitik aus. Dort ist die Entscheidungsfreude viel größer. Zum Beispiel bei Trump, der in einer Nacht- und Nebelaktion die US-Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem verlegt und die Stadt zur neuen Hauptstadt Israels erklärt. Natürlich mal wieder, ohne über die Folgen nachzudenken. Und das wird wohl nicht das letzte Trumpsche Desaster bleiben. Ein weiteres brodelndes Pulverfass, das ebenso undurchschaubar und instinktiv handelt, ist der türkische Präsident Erdogan, der vor Kurzem den Witz des Jahres erzählte. Nirgendwo sei die Presse- und Meinungsfreiheit größer als in der Türkei. Nun ja, wenn man so gar keinen Vergleich hat, weil man nur in diesem Land aufgewachsen ist, als einziger von sämtlichen Repressalien verschont bleibt und als Machthaber im eigenen Land schalten und walten kann, wie es einem gefällt, dann mag das wohl zutreffen. Drittes Pulverfass ist schließlich unsrer kleiner Nordkoreaner, der nicht nur äußerlich wie ein Fass aussieht. Auch er verfügt über eine unheimliche Freude am Experimentieren. Doch während sich diese Experimentierfreude bei Trump und Erdogan auf Beschimpfungen und etwaigen Lappalien beschränkt, geht Kim mit seinen Raketentests richtig zur Sache.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich keine der drei Knalltüten und Pulverfässer in nächster Zeit in eine tollwütige Bombe verwandelt und der Weltbevölkerung das turb­ulenteste Feuerwerk beschert, das die Menschheit zu ihren Lebtagen gesehen hat. Damit einen guten Rutsch und auf ein neues Jahr 2018 mit kleinen und großen Überraschungen!

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