130 Seiten geballte ESC-Unterhaltung
Das Finale des diesjährigen Eurovision Song Contests steht unmittelbar bevor – Zeit, sich gebührend auf die Kult-Show einzustimmen. „The Very Best of Song Contest“ lautet der etwas biedere Titel eines keineswegs biederen Buches, das der österreichische Holzbaumverlag vor zwei Jahren auf dem Markt brachte. Es bietet viel Witz – und wenig Tiefgang.
Von Florian Fabozzi
Anlass zur Veröffentlichung gab allem Anschein nach die damals bevorstehende Austragung des Contests im heimischen Österreich. Dem vorausgegangen war der Sieg von Conchita Wurst im Jahr 2014, der die kriselnde und zunehmend desinteressierte ESC-Nation Österreich aus dem Dornröschenschlaf weckte. „The Very Best of Song Contest“ fängt die neu entfachte Begeisterung gut ein.
Konzentration auf Besonderes
Das Werk setzt den Fokus unverkennbar auf Kuriositäten, Skandale und verblüffende Hintergrundgeschichten, die sich in den 59 Ausgaben des Eurovision Song Contest zutrugen. Der anekdotische Stil zieht sich dabei durch das gesamte Buch. Bierernste Analysen einzelner Editionen oder ihren Punktevergaben fehlen hier genauso wie politische Untertöne, die im Contest leider durchaus präsent sind.
Nach einem kitschigen, aber authentisch leidenschaftlichen Vorwort über die Faszination des Contests werden dem Leser ein paar Zahlen und Fakten an die Hand gegeben. Das Wichtigste ist gut auf dem Punkt gebracht, vermissen tut man lediglich die Erwähnung der nicht ganz unwichtigen Drei-Minuten-Beschränkung für alle Beiträge. Zu den Zahlen und Fakten gehören neben Alters- und Teilnehmerrekorde auch die Länge von Gewinnertiteln oder die Sternzeichen der Gewinnersänger – recht belanglos und für den Leser eher uninteressant.
Pleiten, Pannen und Peinlichkeiten ist der alliterarische Titel eines weiteren Kapitels. Querbeet und etwas chaotisch werden unterschiedliche Skurrilitäten und Ausrutscher aus den letzten Jahren präsentiert. Verbotene Songtitel, vermeintlich gekaufte Siege und Bühnenflitzer. Hoher Unterhaltungswert ist garantiert.
Auch deutsche Perspektive beleuchtet
Der deutschen und der österreichischen ESC-Geschichte werden eigene Kapitel gewidmet. Es überrascht kaum, dass dabei der Komponisten- und Eurovision-Legende Ralph Siegel besonders viel Aufmerksamkeit zuteilwird. So sehr seine neueren Produktionen wie aus der Zeit gefallen wirken und zum Fremdschämen einladen, ist es doch gerade Siegel, der trotz einer sonst mäßig glorreichen Eurovisionshistorie Deutschlands den Contest nachhaltig prägte. Der Blick auf die österreichische Geschichte ist gespickt von Selbstironie, einige Seitenhiebe auf den großen Nachbarn dürfen auch nicht fehlen.
Eine schöne Idee sind die Interviews mit ehemaligen ESC-Teilnehmern und -Fans aus dem Alpenstaat. Hierbei kommen ganz unterschiedliche Persönlichkeiten zu Wort, die zum Teil auch kritische Haltungen zum ESC vertreten. So wie der kernige Alf Poier, ESC-Teilnehmer 2003, der aus seinem Desinteresse am Contest keinen Hehl macht. Statt einer reinen Eurovision-Beweihräucherung ist also auch Raum für kritische Töne – sympathisch.
Herrlich abgedreht ist auch der „Blick nach vorne“, den die Autoren am Ende richten. Der Eurovision wird hierbei mittels typischer Klischees auf die Schippe genommen.
Witzig und Kreativ
Raffinierter Wortwitz und angenehme Leichtigkeit ziehen sich durch die gesamten 130 Seiten. Gewürzt mit einigen popkulturellen Anspielungen und einer Prise Ironie entwickelt sich ein intensiver Lesegenuss. „The Very Best of Song Contest“ interagiert mit seinen Lesern: Über das ganze Buch verstreut sind Quizfragen zum Contest, teilweise solche, die schon zuvor im Buch beantwortet wurden (hier kann der Leser testen, wie sorgfältig er gelesen hat!). Das Sahnehäubchen auf der zuckersüßen ESC-Torte ist ein ausführliches Songquiz, in dem Textpassagen von ESC-Songs in ihrer deutschen Übersetzung aufgeführt sind, anhand derer der Leser den Songtitel herausfinden soll. Gar nicht so einfach! Erwähnenswert ist die gelungene Artwork. Nicht zuletzt dank amüsanter Karikaturen von ESC-Stars macht das Buch optisch einiges her.
„The Very Best of Song Contest“ wirkt allerdings auch chaotisch. Anekdoten wurden etwas beliebig und ohne erkennbare Ordnung aufs Papier gebracht, die Gliederung wirkt nicht ganz stringent. So hebt sich zum Beispiel das Kapitel „Wussten Sie schon, dass?“ inhaltlich kaum vom Kapitel „Zahlen, Fakten, Sensationen“ ab. Einige Anekdoten wirken banal und zu sehr erzwungen. So ist eine Auflistung von Begriffen, für die die Abkürzung „ESC“ steht, weder themenbezogen, noch in irgendeiner Form interessant.
Blick auf das Wesentliche fehlt
Viele bekannte Klassiker der ESC-Historie bleiben leider unerwähnt. Ein wenig mehr Fokus auf einzelne Shows und Auftritte hätte dem Werk nicht geschadet. Über musikalische Besonderheiten (Die Hardrocker „Lordi“ werden lediglich einmal erwähnt) interessante Bühnenshows, gelungene und misslungene Auftritte oder einfallsreiche Kleidungsstücke erfährt der Leser recht wenig. Die Rubrik „Gut gebrüllt, Ente“ sammelt Zeitungsmeldungen zum ESC der letzten 60 Jahre – gute Idee, aber es scheint, als hätte man hier mit mehr Recherche noch mehr zusammentragen können. Einen Einblick in die mediale Perspektive auf den ESC in seinen Anfangszeiten wäre sehr erkenntnisreich gewesen.
So bleibt festzuhalten, dass „The Very Best of Song Contest“ für die leichte Unterhaltung und zur Einstimmung auf den Contest sehr gut geeignet ist. In jeder Zeile des Buches ist das sprachliche und humoristische Talent des vierköpfigen Autorenteams erkennbar, die Kreativität scheint grenzenlos. Und doch vermittelt das Buch einen chaotischen, teilweise sprunghaften und oberflächlichen Eindruck. Im Text auf der Rückseite des Buches heißt es „Mehr können wir für ihr Song-Contest-Wissen nicht tun…“. Leider ein Irrtum.
The Very Best of Song Contest, Holzbaum Verlag, Wien 2015.
Interessanter Artikel. +1