Ist Gott auch für die Blöden zuständig?

Buch-Kritik

Den Blöden begegnen wir alle täglich. Zumindest halten wir sie für blöd. Im Supermarkt, an der Bushaltestelle, sogar im Wald. Ein Autor und eine Autorin widmen den bösen Gedanken, die man jenen zusendet, nun ein Buch. Und erklären, warum wir den Verstand trotz allem behalten sollten.

Nathalie Schrader

An Weihnachten letzten Jahres fand ich ein Buch für mich unter dem Gabenbaum. Es trägt den Titel „Und erlöse uns von den Blöden“ und wurde von Monika Gruber, die sich als Schauspielerin einen Namen machte, in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Andreas Hock geschrieben. Veröffentlicht wurde es im Jahr 2020 vom Piper-Verlag. Der Untertitel „vom Menschenverstand in hysterischen Zeiten“ verrät, dass menschliches Verhalten in verschiedenen, aktuellen Krisensituationen beleuchtet wird. Auf 230 Seiten werden punktuell gesellschaftliche Probleme und deren Diskursführung ironisch aufgegriffen, angefangen bei der Coronakrise. Vom Feminismus im Islamismus, über Kindererziehung und neue Berufsfelder durch soziale Medien bis hin zu Rauchern werden eigentlich alle Teile unserer Gesellschaft aufs Korn genommen. Sprachlich verstehen die Autoren es, das von ihnen kritisierte Handeln absurd und widersprüchlich darzustellen. Die Deutschen reagieren in Krisen demnach überzogen an den Stellen, an denen sie sonst gar keine Reaktion zeigen und verkohlen sich alles in allem selbst am besten. Die moralisch herausragende Selbstdarstellung sei dem Einzelnen dabei meist am wichtigsten.

© Piper-Verlag

Wer sich schon einmal mit Andreas Hock beschäftigt hat, weiß, dass die Verrohung der deutschen Sprache durch Vereinfachungen, Anglizismen und schlichte Auslassungen jeglicher Zeichensetzung, eines seiner Herzensthemen ist. Grundlegende Sprachveränderungen durch die Genderdebatte oder den Gebrauch digitaler Plattformen betrachtet er auch in diesem Buch als stark besorgniserregend. Die Autoren selbst verwenden etwas gehobeneres, teils verschachteltes Standarddeutsch, das dennoch gut verständlich ist. Politische Fachbegriffe, aber auch satirische Ausdrücke kommen hier nicht zu kurz. Die Absurdität menschlichen Handelns in neuen Situationen und gegenüber Andersdenkenden wird in vielen Passagen humorvoll auf den Punkt gebracht. Dabei bedienen sich die Autoren einer scharfzüngigen und teils saloppen Sprache. Im Übrigen beschreiben beide auch ihre Hintergründe, anhand derer der Leser*innen erfahren kann, warum sie denken, wie sie eben denken. Das lässt ihm die Möglichkeit, die angeführten Meinungen kritisch zu betrachten. Die Autoren gehören definitiv der gehobeneren Mittelschicht und der Gruppe der klassischen „Boomer“ an. Sie selbst stellen sich über alle 16 Kapitel hinweg konträr zu all den Ansichten und Angewohnheiten, die sie selbst als albern oder übertrieben darstellen, auf. Stellenweise relativieren sie diese Position, teilweise wirkt sie etwas erhaben. Der Humor verbirgt sich sicher aber auch hinter eben dieser Rhetorik.

Im Gesamteindruck betrachten die Autoren die gesellschaftlichen Themen nicht mit der aktuell vorherrschenden Meinung im links-grünen Spektrum und kritisieren teils überzogene und unerfüllbare Moralvorstellungen und radikales Vorgehen von links-politischer Seite aus. Die eigene Position auf dem „Moral-o-Meter“ nach überkorrekten (Meinung der Autoren) Maßstäben kann der Leser am Ende testen. Bestimmt stecken Gruber und Hock im eigenen Blasendenken derer, die mit einem soliden Einkommen fest im Beruf etabliert sind. Eben dieser Gegenwind voller logischer Argumente birgt die Chance, dem links-grünen Diskurs etwas Bodenständiges wiederzugeben. Ich jedenfalls genoss das Lesen, um aus meinem eigenen Blasendenken herauszukommen. Die erhitzten Debatten unserer Zeit über Themen wie Rassismus, Feminismus oder verschiedene Ernährungsweisen, kann ich künftig etwas gelassener und differenzierter sehen. Die Aufmachung des Buches erweckt den Eindruck, dass aktuellen Krisen etwas Humorvolles entgegengesetzt werden soll. Passagenweise erschien mir die Betrachtungsweise dafür jedoch zu negativ und einseitig. Dann wurde der Humor für meinen Geschmack zu überzogen und damit anstrengend. So konnte ich das Buch nicht lange am Stück lesen. Am Ende nehmen die Autoren dann eine positive Sicht auf das Leben ein und bedanken sich bei ihren Lesern für deren Durchhaltevermögen. Außerdem geben sie Tipps gegen Hysterie in diesen Zeiten. Die vorherigen 223 Seiten relativiert das eher mäßig. Den kritischen, aber unvoreingenommenen Leser kann dieses Buch sicherlich zum Nachdenken anregen, und ihm hier und da auch einen Lacher entlocken.

Und erlöse und von den Blöden – von Menschenverstand in hysterischen Zeiten (2020), Monika Gruber & Andreas Hock, Piper Verlag, 240 Seiten. 

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