Killer-Kultur

Zwischen Faszination und Schrecken

“Psycho killer, qu’est-ce que c’est?” Wer kennt ihn nicht, den populären Song der Talking Heads von 1977? Sogar in der modernen Popmusik können wir Bezüge zu Serienmördern finden. Überall wo wir hinsehen und hinhören werden wir konfrontiert mit einer Kultur, die sich zu Themen wie Tod und Schrecken hingezogen fühlt. Der Serienmörder zieht sich durch jedes Genre und ihm zu entkommen scheint unausweichlich. Doch warum sind wir eigentlich derart fasziniert von menschlichen Abgründen, von Gewalt und dem Tod?

Von Jacqueline Lindenau

“Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in den Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.” (Friedrich Nietzsche)

Der Serienmörder kann als Produkt der modernen Massenmedien bezeichnet werden, da die Medien den Killer als solchen ästhetisieren. (Höltgen & Wetzel 2010). In dem Buch “Killer/Culture” gehen Stefan Höltgen und Michael Wetzel gemeinsam mit anderen Autor*innen dem Phänomen der Ästhetisierung von Serienkillern auf die Spur. Sie erklären, dass Medien oft der einzige Rückbezug für sehr weit zurückliegende Fälle seien, zum Beispiel Jack the Ripper oder Fritz Haarmann. Es sei demnach wichtig Grenzen zu ziehen, zwischen Realität und Fiktion und den Quellen unseres Wissens.

Den Serienmörder als Ästhetik finden wir in der Musik, in fast jedem Film-Genre, in Serien und Dokumentationen auf Netflix. Es gibt sogar Serienkiller Merch, zum Beispiel T-Shirts mit dem Gesicht von Serienmördern oder Malbücher. Es wurden kuriose, charismatische Kunstfiguren geschaffen. Besonders interessant ist außerdem das Spiel zwischen Serienmörder und Detektiv, welches in vielen Formaten auftaucht und mit der Moralität und dem Kampf von Gut und Böse verbunden ist. In der Serie Hannibal (2013) befindet sich der berühmte Kannibale als Psychiater inmitten vom FBI und treibt ein doppeltes Spiel. Den narrativen Möglichkeiten in den Medien werden keine Grenzen gesetzt. Die Zuschauenden genießen die distanzierte Perspektive, bei der sie sich sicher fühlen und dem Nervenkitzel nur gedanklich ausgesetzt sind. Höltgen und Wetzel betonen, dass durch die verschiedenen Perspektiven in den Medien ein detaillierter Einblick in die Denkweisen und Gefühlswelt der Mörder gewährt wird. Anhand dessen können wir bereits feststellen, dass viele Faktoren bei der Faszination eine Rolle spielen. Doch was steht noch dahinter und wie verhält es sich mit True Crime im Vergleich zur Fiktion? Die Faszination bezieht sich durchaus auf ein Gefühl, dass sich in einem ausbreitet, wenn es zu einer Auseinandersetzung mit dem Serienmörder in der Wirklichkeit kommt.

Karen Kilgariff und Georgia Hardstark moderieren den amerikanischen Podcast “My Favorite Murder” (2016). In ihrem Podcast erzählen sie ihre lieblings Mordgeschichten sowie die der Fans und Freunde. Vielleicht mag es für einige makaber klingen, aber es handelt sich um einen Comedy Podcast. Karen und Georgia erzählen die Geschichten mit Humor, aber natürlich ist ihnen bewusst, dass es sich um ein ernstes Thema handelt.
In diesem Podcast steht die Ästhetisierung nicht im Fokus, sondern vielmehr die unglaublichen Geschichten an sich. Vor allem, wenn diese von den Überlebenden selbst erzählt werden. Es bereitet den Zuhörenden Gänsehaut zu erfahren, was Menschen durchmachen mussten.

Die Lehren aus dem Fall Mary Vincent

Eine dieser Geschichten handelt von Mary Vincent. Sie wurde im Jahr 1978 im Alter von 15 Jahren von Lawrence Singleton entführt. Mary ist per Anhalter mitgefahren. Lawrence Singleton durchtrennt ihr beide Unterarme mit einem Beil und vergewaltigt sie mehrere Male. Mary überlebt den Angriff und ihr gelingt die Flucht. Sie schafft es ein Pärchen im Auto zum Anhalten zu bringen. Es ist ein unglaublicher Albtraum, eine schreckliche Geschichte die einem Angst macht, aber einen auch ermutigt, denn Mary hat geschafft den Schrecken zu überleben und dem Tod zu entkommen.

Aufgrund des zunehmenden medialen Interesses an Serienmördern und der unzähligen True- Crime-Begeisterten wurde das Bewusstsein dafür geschärft, wie man sich in bedrohlichen Situationen zu verhalten hat. Wie heißt es so schön in dem Podcast “Stay sexy and don’t get Murdered!” und außerdem “F*ck politeness” (Hardstark 2019). Bei dem Prinzip von “F*ck politeness” geht es darum, dass es keine Verpflichtung gibt nett zu sein. In Situationen in denen du dich verunsichert fühlst und Gefahr witterst, solltest du dich nicht schuldig fühlen, wenn du unhöflich bist.

Werfen wir den Blick in die Zukunft, so wird der Serienmörder durchaus ein beliebtes Thema bleiben. Dies jedoch meistens nur als ästhetisches Medienprodukt. Intensivere Auseinandersetzungen mit dem Serienmörder als Ästhetik sind wichtig um die Problematiken zu verstehen und der Faszination auf dem Grund zu gehen. Der Fokus sollte öfter auf die Personen gerichtet werden, die überlebt haben, auf die Opfer, deren Geschichten vielleicht in Vergessenheit geraten sind. Nicht auf die Serienmörder die teilweise sogar wie die Rockstars gefeiert wurden. Geschichten von überlebenden Opfern können uns stark machen und ermutigen wieder aufzustehen. Mary Vincent ist zum Beispiel eine dieser Inspirationen und durch das Erzählen ihrer Geschichte macht sie anderen Mut, denn das Leben geht weiter.

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