Amsterdam’s Atmo
Eine Stadt, wie keine andere
Eine meiner absoluten Lieblingsstädte ist Amsterdam – die kleinen Straßen mit den schiefen Fachwerkhäusern, Wassergräben, welche sich durch die gesamte Hauptstadt ziehen, das Essen und die Menschen erzeugen eine besondere Atmosphäre. Kulturen treffen aufeinander und jede_r einzelne scheint sich nach seinem oder ihrem Geschmack auszuleben. Was sich in Bremen nur auf das Viertel oder dem Campus begrenzt, ist in ganz Amsterdam Normalität.
von Anne-Kathrin Oestmann
Kaum aus der U-Bahn gestiegen, wird man bereits von den drängenden Menschenmassen über die gipfelhohen Rolltreppen mit an die Oberfläche der Stadt geschwemmt. Kühle Winde zerzausen die Haare der hetzenden Fußgänger, die Taschen, Jutebeutel und Rucksäcke mit sich tragen. Es bleibt kein kurzer Moment, um inne zu halten und auszuatmen, ehe man von hinten angerempelt wird. „Verontschuldinging“ sagt eine ältere Frau mit einem eng zusammengebundenen Dutt und weit schlackernden Hosenbeinen. Ihre Mimik sieht erschrocken aus, als sie mich kurz anblickt. Dann war sie schon wieder in der bewegenden Masse untergetaucht.
Im Zentrum von Amsterdam wird man von riesigen Gebäuden umgeben – architektonisch gar künstlerische Meisterwerke, im futuristischen Stil. Die Fronten sind von Glas überzogen und wenn man den Kopf in den Nacken legt, starren tausend Fenster hinunter. Abseits von der quadratischen Norm, stehen hier außergewöhnliche Formen, die der Erdanziehungskraft trotzen. Kein Gebäude gleicht dem anderen.
Schiefe, bunte Häuschen
Ganz anders sieht es im Kern der alten Stadt aus. Schmale Fachwerkhäuser, dessen Entstehung bis ins 17. Jahrhundert zurück reicht, reihen sich lückenlos aneinander. Auch wenn sie ein wenig schief dar stehen. Die Fassaden sind uneben und in einem tiefen blau, rot oder gelb gestrichen. Die hohen Fenster heben sich durch ihre weiße Umrandung von der Fassade ab. Besonders beeindruckend sind ihre unterschiedlichen Giebel – spitze, runde, mit schwarzen Stahlbalkonen versehen oder durch kleine Ornamente verziert.
Die verzweigten Straßen, in denen sich die schiefen Häuserschlangen gegenüber stehen, bilden ein breites Netz. Durchzogen von Wasserkanälen, den sogenannten Grachten, welche mal breiter und mal schmaler sind. Kleine Schiffe, gebunden an Holzpfählen, heben und senken sich unter den ruhigen Wellen. Die Sonnenstrahlen glitzern auf der Wasseroberfläche und blenden einen so stark, dass man die Augen zukneifen muss, wenn man an einer Gracht auf einer Parkbank sitzt und das Treiben aus der Ferne beobachtet.
Der Geruch von Pferd und Gras
Eine Herde von Radfahrern auf Holland-Rädern düsen mit Tempo durch Straßen und über Brücken.
Die Klingel wäre unverzichtbar – eine Bremse dann schon eher. Breite Autos quetschen sich in Parklücken bei dem jeder Zentimeter zählt. Auf der anderen Straßenseite ziehen schwere Kaltblüter
schwarz lackierte Kutschen über den Pflaster. Deren Hufe, so groß wie Porzellanteller, klappern im Rhythmus auf den Steinen. Der Schall prallt von Hauswand zu Hauswand.
Aus den Eingängen enger Seitenstraßen zieht ein besonderer Geruch auf: ein Schwaden von beißender, nach feuchtem Moor riechender, warmer und schwerer Luft. Die Legalisierung von
Hanf & co in den Niederlanden ist kein Geheimnis. Vielmehr ein Grund für junge Menschen, die mit Neugier erfüllt sind, nach Amsterdam zu kommen, um transzendierende Erfahrungen zu erleben. Im Vorbeigehen schnappe ich Gesprächsschnipsel deutscher Besucher auf, die zuvor mit langen Atem einen Zug ihres Joints inhalierten: „Du grinst mich so an, warum grinst du mich so an, grinse ich dich an, fühlst du auch wie stark die Erde ist, sie zieht mich an sich, ich weiß wieso, ich bin ein Magnet, du auch, ich verlauf gleich auf ihr, verdammt tut das weh“.
Die nächste Haltestelle ist nur wenige Minuten entfernt. Dann geht es zurück zum Hauptbahnhof und von dort in das unterirdische Netz der Amsterdamer U-Bahnen.