„Neutrale Botschaften haben keinen Nutzen für die Wähler“

Obwohl nicht mehr ganz brandaktuell, gehören sie immer noch zum Wahlkampf dazu: die Wahlplakate. Masterstudent Lucas Maserski von der University of Applied Sciences Europe in Iserlohn  hat die Werbeplakate der Parteien analysiert. Mit welchen Mitteln überzeugen die Politiker und worauf springen die Wähler an? Sorgen, Zahlen, Optik, klare Themen oder doch eher erfrischend neue und unübliche Inszenierungen?

Von Christine Leitner

Herr Maserski, wie kamen Sie auf die Idee, Wahlplakate zu analysieren? Hat die Wahl hier eine Rolle gespielt? Da hat sicherlich die Bundestagswahl eine Rolle gespielt.

Nein, es war nicht wirklich die Wahl. Während der Bachelorzeit habe ich mich viel mit Neuromarketing auseinandergesetzt und damit, wie Botschaften in Werbung übermittelt werden. Ähnliches findet man nämlich auch bei den Wahlplakaten. Ein weiterer Hintergrund war der Erfolg von Trump in Amerika und der AfD in Deutschland.

Haben Sie sich nur mit den aktuellen Wahlplakaten beschäftigt oder ging es auch um die Wahlplakate aus den letzten Jahren?

Es ging um die unterschiedlichen Ansprüche der Parteiwähler, deshalb ging es auch nicht explizit um die Wahlplakate aus diesem Jahr. Ich habe dies natürlich auch aktuell am Beispiel des Wahlkampfs 2017 analysiert, aber dieser war nicht Bestandteil der Studie.

Ihrer Studie?

Ja, darin ging es um die Ansprüche der Wähler. Die Studie bestand aus drei Teilen. Im ersten Teil haben wir Fragen zu der Persönlichkeit der Menschen gestellt, um später einen Bezug zur individuellen Wahl eines Plakates herstellen zu können. Im zweiten Teil ging es um die politische Orientierung. Aber nicht, wie das beim Wahl-O-Mat gemacht wird. Hier ging es einfach nur darum, die Menschen in das Spektrum ein- und nicht einer bestimmten Partei zuzuordnen. Im dritten Teil kam die Choice Based Conjoint Analyse (CBCA) zum Einsatz. Die Leute haben drei unterschiedliche Wahlplakate vorgelegt bekommen und sollten das Plakat auswählen, das ihnen am meisten zugesagt hat.

Inwiefern haben sich die Wahlplakate unterschieden?

Auf manchen war sehr viel Text, manche haben nur eine Person gezeigt. Es wurde aber darauf geachtet, dass die inhaltlichen Formulierungen auf den Plakaten mit den Antworten aus den ersten zwei Teilen des Tests übereinstimmen. Denn wenn man einem SPD-Wähler ein AfD-Plakat vorlegt, dann ist klar, dass das unbeachtet bleibt. Es hat sich hierbei auch herausgestellt, dass neutrale Botschaften auf den Werbeplakaten keinen Nutzen für die Wähler hatten.

Konnte man anhand der Wahlplakate sagen, wer den Wahlkampf gewinnen wird oder die erfolgreich die Parteien sein werden?

Das kann man so genau nicht sagen, weil ja auch immer ein gewisser Anteil an Vorbildung bei den Leuten vorhanden ist. CDU-Wähler blenden zum Beispiel Plakate der AfD aus, weil sie für sie irrelevant sind. Das basiert weniger auf Parteiunterstützung als vielmehr auf individuellen Abneigungen. Wenn einem Wähler eine Partei unsympathisch ist, werden auch deren Plakate automatisch negativ betrachtet und nicht in die politische Entscheidungsfindung eingebunden. Deswegen ist es auch schwer, die Ergebnisse der Wahl anhand der Wahlwerbung einzuschätzen. Bei der FDP kann man es schon eher sagen, denn ihr Erfolg hat einfach mit dem gesamten Rebranding zu tun, das heißt neue Aufmachung, neue Leute. Aber die Wahlplakate sind nur die Spitze der Rebranding-Kampagne.

Mit welchen Mitteln haben die Parteien gearbeitet, um ihre Wähler zu überzeugen?

Die AfD zum Beispiel spielt sehr auf die Sorgen der Wähler an und orientiert sich stark daran, was in der Vergangenheit alles schief gelaufen ist. Die CDU dagegen ging in Richtung ‚Weiter so‘. Im Vergleich zur AfD wirkten sie beruhigend und waren zukunftsgerichtet. Es gab keine Partei, die variabler war. Die FDP hat ihren Fokus auf die Themen Bildung und Soli gelegt und hatte damit ein Alleinstellungsmerkmal, weil diese Themen für die anderen Parteien keine so große Bedeutung hatten. Die Grünen präsentierten wieder ganz klar ihre Grundwerte, ökologische und ethische Themen. Die SPD hatte auf ihren Plakaten die Gerechtigkeit im Fokus. Die Linken hatten ganz explizite und radikale Forderungen und klare Zahlen auf ihren Plakaten.

Also konkreter als die anderen Parteien. Das müsste doch die Wähler gerade dazu animiert haben, die Linken zu wählen.

Je weiter außen, desto konkreter wurden die Forderungen und Ziele. Das hilft den Leuten zu verstehen, was die Partei eigentlich will. Aber die Wahl hat auch viel mit Sympathie zu tun. Manche finden den Lindner zum Beispiel sehr sympathisch und andere finden sein Auftreten affektiv und elitär. Und viele Leute gucken gar nicht erst auf die Wahlplakate, sondern wählen ihre Partei aus Prinzip.

Wie hat denn jetzt das ideale Wahlplakat auszusehen? Eher bunt und schrill oder dezent mit viel Text?

Grundsätzlich gibt es nicht DAS „optimale“ Wahlplakat, denn es zählt ja die gesamte Kampagne. Was aber schon wichtig ist, sind klare Formulierungen der Inhalte und Forderungen und eine klare Zuordnung zu den einzelnen Parteien. Die Gesamtlinie der Kampagne muss einheitlich sein. Das haben die Grünen sehr gut gemacht. Man muss aber auch den Mut haben, sich einmal anders zu präsentieren. Das gilt für die Wahlwerbung allgemein. Man sollte sich nicht zu sehr als Establishmentpolitiker präsentieren, wie Schulz das gemacht hat.

Sind Wahlplakate eher Erreger von Aufmerksamkeit oder Übermittler der Wahlprogramme?

Da hängt davon ab, wo das Wahlplakat hängt. In der Fußgängerzone kann ruhig etwas mehr Text dabei sein, auf einer Landstraße, wo die Autos schnell vorbeifahren macht das weniger Sinn. Ihre Funktion hängt eben auch davon ab, wo sie aufgehängt werden. So können sie die Wähler entweder an die Partei und die Wahl erinnern oder neue Inhalte transportieren.

Verlieren Wahlplakate im digitalen Zeitalter an Bedeutung?

Nein, sie sind auch jetzt noch wichtig. So ist auch nicht zu übersehen, dass die Bundestagswahl ansteht. Die Wahlplakate sind aber hauptsächlich zur Wiedererkennung wichtig. Wahlkampfauftritte und TV-Duelle dienen eher zur Vermittlung der Inhalte.

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