„… nur ein paar Cent, die sich mit der Zeit summieren.“

Flaschen sammeln an der Exzellenzuni in Bremen

Flaschensammeln ist auch an der Universität ein Alltagsphänomen geworden. In einem Interview erklärt André, warum die Uni eine so gute Einnahmequelle ist.

Dieses Interview führte Christine Leitner

ScheinWerfer: Das Flaschensammeln ist heute zum alltäglichen Phänomen geworden. Wie kamen Sie auf die Idee, an der Universität Flaschen zu sammeln?

André: Das hat sich so ergeben. Ich bin durch Zufall hierhergekommen und es hat sich gelohnt. Außerdem hat es den Vorteil, dass es hier keinen Aufpasser gibt, der einen verscheucht. Insbesondere an den Bahnhöfen gibt es dafür Servicekräfte, hier wird das Flaschensammeln eher geduldet.

ScheinWerfer: Wie lange sammeln Sie Flaschen hier an der Uni?

André: Seit sechs Jahren.

ScheinWerfer: Hat Sie diese Tätigkeit zu Beginn viel an Überwindung gekostet?

André: Überwindung höchstens, wenn irgendwelche unangenehmen Sachen im Mülleimer sind, ansonsten nicht.

ScheinWerfer: Wie viele Flaschen sammeln Sie ungefähr am Tag?

André: Also ich kann es jetzt nur den Betrag nennen, die genaue Flaschenzahl kann ich nicht sagen. Es hängt sehr vom Wetter ab. Bei schönem Wetter sind es sieben bis zehn Euro (nachmittags). Bei schlechtem Wetter und wenn Semesterferien sind, dann sind es nur zwei, drei Euro.

ScheinWerfer: In Medien wird immer wieder betont, dass das Flaschensammeln lebensnotwendig für viele Menschen geworden ist. Welchen Stellenwert hat das für Sie?

André: Es ist einfach ein zusätzliches Einkommen.

ScheinWerfer: Haben Sie bisher Erfahrungen an der Uni gemacht, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?

André: Eigentlich wird das Flaschensammeln an der Uni hier ziemlich akzeptiert, es gibt hier und da zwar immer mal wieder ein paar Leute, die ein bisschen blöd gucken. Ich denke, dass junge Leuten das eher akzeptieren und viel offener sind. Das einzige Mal, an dem es ein wenig unangenehm wurde, war, als ich einmal meine Flaschen in der Cafeteria unten im GW2 einlösen wollte und die Dame an der Kasse sich geweigert hat, weil ich die Flaschen aus den Mülleimern gesammelt habe. Aber ihre Kollegin hat mir dann letztendlich doch das Geld gegeben.

ScheinWerfer: Halten Sie die Studierenden für undankbar, weil sie ja sozusagen ihr Geld überall liegen lassen?

André: Ich denke, jeder Student muss für sich selbst entscheiden, ob  er die Flaschen  mitnimmt und sie in den Automaten schiebt oder nicht. Ich glaube auch nicht, dass viele die Flaschen unbedingt liegen lassen, weil ihnen das Geld egal ist, sondern weil es sie zu viel Mühe kostet. Es gibt aber auch hin und wieder Leute, die schenken mir eine Flasche. Das ist dann eine Nettigkeit, aber die meisten, die die Flaschen stehen lassen, denen ist es einfach zu viel Arbeit. Im Prinzip sind es nur ein paar Cent, die sich aber für mich mit der Zeit summieren.

ScheinWerfer: Entwickeln sich unter den Flaschensammlern auch Freundschaften oder gibt es häufiger Konkurrenz?

André: Also einen Flaschensammler kenne ich ganz gut. Aber Konkurrenz gibt es hier natürlich auch. Es gibt auch hier mehrere, die sammeln, momentan sind es relativ wenige, aber es wird durchaus miteinander konkurriert. Zum Beispiel sammelt hier auch ein russischer Rentner. Der hat mir schon einmal mit einer Flasche gedroht. Zum Glück ist der nur mittags hier.

ScheinWerfer: Sie müssen aber keine Angst haben, dass Ihnen jemand anderes Ihre Flaschen wegnimmt?

André: Nein, so schlimm ist es nicht, ich habe die Tüten mit den Flaschen jetzt auch in der Bibliothek stehen gelassen.

ScheinWerfer: Wie sieht es im Vergleich zur Uni mit anderen öffentlichen Räumen aus? Beispielsweise am Bahnhof, in der Innenstadt oder auch im Park?

André: An Bahnhöfen gibt es Servicepersonal, das einen dann verscheucht. Ich muss dazu sagen, dass ich mit dem Zug hierherkomme und kann daher auch im Zug schon sammeln. Aber an den Bahnhöfen kann es auch Ärger geben. Ich kenne Leute, die dort gesammelt haben und die dann Hausverbot bekommen haben.

ScheinWerfer: Meinen Sie, dass Projekte, wie pfandgeben.de in Berlin zu einer Verbesserung der Situation von Flaschensammlern beitragen würden?

André: Das ist doch eine nette Idee, die sicherlich auch hilfreich ist. Insbesondere muss man natürlich aufpassen, wenn man in die Mülleimer greift.   Häufig sind   in den Mülleimern Scherben oder andere unangenehme Dinge. Angenehmer ist es natürlich, wenn die die Leute die Flaschen, so wie hier, neben den Mülleimern oder auf den Tischen stehen lassen. Es gibt ja auch schon diese Aufkleber „Pfand gehört daneben“. Sowas ist natürlich viel netter und angenehmer. Oder so kleine Kästen neben den Mülleimern, wo man die Flaschen richtig reinstellen kann. Sowas wäre eine nette Geste.

ScheinWerfer: Könnte man im Allgemeinen mehr dafür tun, um zu verhindern, dass Menschen überhaupt Flaschen sammeln müssen?

André: Ich denke, das wird immer passieren, solange es sich lohnt und solange ich nicht genug Geld habe. Für mich ist es ein schönes Zubrot, damit kann ich mir die ein oder andere Sache nochmal extra erlauben, was ich sonst nicht könnte.

 

Vielen Dank für das Interview!

Foto: Bielibob Bielefeld
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