„Wir wollen Leute ermutigen auf die Bühne zu kommen, weil jeder was zu erzählen hat“

Interview mit den Organisator*innen von 6 Minutes of Fame

Lyrik, Bienensterben und demografischer Wandel in einer Veranstaltung? Das Format 6 Minutes of Fame macht es möglich. Dieses Projekt wurde von einem Team aus fünf Bremer Studierenden ins Leben gerufen, um Wissen zugänglich zu machen und den analogen Austausch anzuregen. Der ScheinWerfer hat sich mit drei von ihnen, María, George und Jakob, getroffen, um einen Einblick in ihre Arbeit zu bekommen.

Das Interview führte Elina Fläschner

ScheinWerfer: Was ist das Konzept hinter 6 Minutes of Fame?

Jakob: Im Großen und Ganzen orientieren wir uns an Ted Talks, das Format kennen sicher die meisten: Es wird in kurzen, für jedermann verständlichen Talks ein Thema vorgestellt, das einem durch die spannende Vortragsweise Lust auf mehr bereitet. Bei Ted Talks ist es bloß so, dass eine relativ gehobene, formelle Atmosphäre herrscht. Wir wollen das auf ein entspanntes Level bringen und so ein Klima schaffen, in dem jeder seine eigenen Gedanken präsentieren kann und dabei keine Angst davor haben muss, sich zu blamieren. Jeder kann sich jeder trauen, bei 6 Minutes of Fame mitzumachen. Dadurch soll Raum für Austausch geboten werden, in dem zu einem Thema referiert wird, zu dem sich jemand ein bisschen mehr Gedanken gemacht hat und denkt, dass die eigenen Gedanken es wert sind, mal zur Debatte gestellt zu werden.

María: Genau, wir wollen eine Atmosphäre schaffen, die dazu animieren soll, dass man alle möglichen Themen auf die Bühne bringen kann, ohne ein Experte zu sein. Das Konzept ist 6 Minuten auf der Bühne über ein Thema, das man sich selbst ausgesucht hat, zu reden und danach eine Diskussion darüber zu starten. Die Vorträge werden dabei eher als Einleitung in die Diskussionsrunde gesehen. Viele Leute haben uns gefragt, ob man nur kommen darf, wenn man auch einen Vortrag hält: Natürlich nicht – es werden nur vier bis fünf Leute pro Veranstaltung einen Vortrag halten, damit das Ganze nicht ausartet und die Vorträge zu lang werden und trotzdem erwarten wir mehr als 4 bis 5 Leute im Publikum *lacht*.

ScheinWerfer: Habt ihr viele Referent*innen für die erste Veranstaltung gefunden oder war es eher schwierig, weil die Leute erst einmal gucken wollten, was auf sie zukommt?

María: Das ist eine berechtigte Frage. Ganz ganz viele Leute haben gesagt, dass sie sich sehr gut vorstellen können über bestimmte Themen zu referieren, sie hatten sogar schon Ideen aber wollten erstmal die erste Veranstaltung abwarten, um zu gucken wie die anderen das machen. Jetzt nach der ersten Veranstaltung kamen noch mehr Leute auf uns zu und haben gesagt: “Nächstes Mal trau ich mich”, also genau das was wir wollten.

Jakob: Ich denke mal, dass viele diese entspannte Atmosphäre gebraucht haben um zu sehen, dass das ein freundschaftliches Miteinander ist und keine formelle Präsentation.

Wieso genau sechs Minuten? Es hätten ja auch fünf Minuten sein können oder acht Minuten.

María: Sechs ist eine freche Zahl (lacht). Eigentlich kam es daher, dass wir uns schwer getan haben mit der Namensfindung, weil gefühlt alle Namen schon vergeben sind – man denkt immer man hat das Rad neu erfunden, aber 5 Minutes of Fame gab es zum Beispiel leider schon.Ich glaube, dass 6 Minuten da ein ganz guter Kompromiss ist, denn im Endeffekt soll das Hauptaugenmerk auf der Diskussion liegen und nicht auf der Präsentation. Das heißt, die 6 Minuten dienen als Einleitung und sorgen dafür, dass der Vortrag kurz und knackig gehalten wird. Letztendlich läuft da natürlich keine Zeit runter, nach deren Ablauf man nichts mehr sagen darf, aber es sollte trotzdem der Ansporn sein, sich kurz zu halten.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen und wie lief die Organisation der ersten Veranstaltung ab?

María: Das ist so nach und nach entstanden. Ich bin aus München hierher gezogen, habe von dort praktisch die Idee mitgebracht und dann gleich Leute auf einer Wellenlänge gefunden, die auch Bock drauf hatten. Alleine kommt so eine Sache nicht ins Rollen: Es bleibt ein Gedanke im Kopf, aber wenn man sich dann gegenseitig motiviert, zieht man das einfach durch und macht das. Wir wussten, wir brauchen einen Raum, Referenten, ein Logo, einen Social-Media-Auftritt. Als dann die grundlegenden Sachen feststanden, haben wir uns ein Datum gestellt, den 19. Dezember. Dahingehend haben wir uns dann vorbereitet.

Jakob: Ich weiß noch, dass wir anfangs überlegt haben in die Keksdose zu gehen, aber uns fiel auf, dass da zu viel Distanz ist und eine künstliche Hierarchie aufgebaut wird. So wie wir es jetzt gemacht haben, ist jemand quasi aus dem Publikum auf die Bühne gegangen.

María: Uns war es lieber, das in einer kleinen familiären Atmosphäre zu machen als so frontal. Die Veranstaltung darf bloß nicht zu groß werden, sonst passen wir nicht mehr in den Raum (lacht). Von Außen haben wir einige Hilfe bekommen. Hier an der Uni kann man kostenlos Räume mieten, nachmittags gibt es super viele, die frei sind. Wir sind auf die Suche gegangen, welcher Raum denn geeignet wäre. Für Werbekosten, also Plakate und Flyer, haben wir von der AstA einen Zuschuss bekommen, das heißt in Zukunft können wir mehr Werbung machen. Da muss man nur wissen, an wen man sich wenden kann, aber es gibt auf jeden Fall Unterstützung. Die Uni hat unsere Veranstaltung auf Instagram geteilt, das hat uns auch geholfen!

Jakob: Die Organisation ist so ein bisschen nebenbei gelaufen, auch weil wir befreundet sind. Man hat immer mal wieder drüber gesprochen. George und ich kannten zum Beispiel jemanden von dem wir dachten, dass es cool wäre wenn er Input geben würde, weil er gut erzählen kann und witzig ist. María hat jemanden gesehen, der eine politische Sprechstunde hält, den man fragen könnte, so dass es nach und nach einfach viel von selbst gelaufen ist. Deshalb fiel uns das nicht wirklich schwer. Bei mir war es nur, dass ich kurz vorher gedacht habe: “Boah, voll die Verantwortung – Du organisierst einen Haufen Leute, die dann hier sitzen und denen was geboten werden soll. Wie ist es, wenn das nicht so toll wird?” Da ist die Organisation gegen Ende mit einem bisschen Druck zustande gekommen.

George: Aber genau das hat es auch gut gemacht. Im Endeffekt ist das dieser Schritt, dass man aus der Komfortzone rausgeht und wo man dann merkt, dass man Verantwortung übernimmt.

Jakob: Ich hab zusätzlich auch einen Vortrag gehalten, das heißt, man macht sich einmal als Organisator und einmal als Vortragender doppelt Stress und wenn man dann sieht, was daraus wird und was für ein Gemeinschaftsgefühl da entsteht, denkt man “Boah, das wollen wir wieder organisieren“. Es hat einfach sehr Spaß gemacht.

María: Ich finde es ist eine sehr belohnende Tätigkeit. Oft verbringt man viel Zeit mit Dingen, von denen keiner Kenntnis nimmt. Bei so einer Veranstaltung steckt man natürlich auch viel Arbeit rein, aber es gibt einem unglaublich viel zurück. Es ist ein Projekt, das greifbar ist – man sieht das Ergebnis und bekommt emotionales Feedback. Wir sind auch immer noch auf der Suche nach Leuten, die uns bei der Organisation unterstützen wollen. An unserem Social Media Auftritt müssen wir zum Beispiel noch arbeiten, das machen wir gerade noch sehr amateurhaft und unregelmäßig. Also wäre es super, wenn Leute die Lust auf sowas haben, sich bei uns melden. Auch über jemanden, der Lust hätte, Videos von der Veranstaltung zu drehen, um kurze Teaser auf Social Media posten zu können, würden wir uns sehr freuen.

George: Bis jetzt haben wir noch keine regelmäßigen Termine, an denen wir die Organisation planen, aber man kann uns überall auf den öffentlichen Medien erreichen.

Lief die erste Veranstaltung denn problemlos ab?

María: Die letzte Diskussion war voll im Gange als wir gesehen haben, dass es eine Minute vor 22 Uhr ist und da der Raum bis 22 Uhr gemietet war, haben wir die letzten Punkte, also das Quiz und den Abschluss, ohne Strom machen dürfen. Das war lustig.

George: Wir haben den Laptop hochgehalten, damit die Leute das Quiz sehen konnten, weil der Beamer nicht mehr funktioniert hat und alle mussten nach vorne kommen, um was zu sehen. Aber das war auch schön, weil das das Amateurhafte nochmal unterstrichen hat.

Was für Feedback habt ihr zur ersten Veranstaltung bekommen?

María: Ich glaub wir waren alle begeistert und überrascht, wie positiv die Rückmeldung war und wie wunderschön die Veranstaltung geworden ist. So eine Veranstaltung lebt davon, dass man nicht weiß was auf einen zukommt, weil man nicht weiß welche Vorträge gehalten werden und welche Themen aufkommen. Man kann nur den Rahmen dafür schaffen, aber ich hätte es mir nicht besser vorstellen können.

George: Ich fand es bemerkenswert, dass die Leute die Diskussionen besonders gut fanden. Davor dachten wir dass die Talks im Mittelpunkt stehen würden, aber es waren gerade die Diskussionen – die Gespräche zwischen uns allen – die echt schön waren.

María: Leute haben sich dadurch gleich auf einer Ebene kennengelernt, die viel tiefer ist als man es aus dem Alltag kennt. Dadurch kamen auch im Nachhinein Gespräche auf, die einfach super interessant waren.

Jakob: Wir haben auch das Feedback bekommen, dass es zwischendurch mal langatmig wurde, aber das waren dann Freunde von mir die nicht mehr studieren und es gar nicht mehr gewohnt sind, so lange Vorträgen zuzuhören (lacht). Aber das war ja letztendlich auch nur konstruktive Kritik, die wir gerne angenommen haben. Ich glaube, das ist auch eine Herausforderung, weil wir ja ein pluralistisches Publikum erreichen wollen und für alle die richtige Balance finden müssen.

Könnt ihr euch denn vorstellen, dass sich 6 Minutes of Fame irgendwann von der Uni löst?

María: Das ist vielleicht das Ziel: noch mehr Diversität zu schaffen. Wir haben uns unter anderem überlegt, das in der Klimawerkstatt zu machen. Aber auch da wäre das Publikum wahrscheinlich wieder nicht so divers, wie wir das letztendlich hier hatten. Deshalb ist die Uni ein ganz guter Rahmen für den Anfang. In Zukunft ist es aber auf jeden Fall denkbar, eine Location außerhalb der Uni zu wählen – auch um eine noch entspanntere Atmosphäre bei Bierchen und so zu kreieren, die ganz lässig und ungezwungen ist.

Gibt es Themen, die ihr besonders gerne auf der Bühne sehen würdet?

George: Es gibt immer Themen, von denen du sagst “Okay, davon hab ich jetzt noch nichts gehört”. Zum Beispiel hab ich mich bisher mit Lyrik relativ wenig außeinandergesetzt und dann hatten wir gleich zwei Talks über Lyrik. Bei denen war ich dann erstmal baff insofern, als ich da vorher nicht so viel mit anfangen konnte und dann den Input total spannend fand. Wir sind, was die Themen angeht, offen für alles, worüber die Leute nachdenken.

Jakob: Jedes Thema birgt ein ganz eigenes Potential und im Endeffekt hätte ich wohl zu jedem Thema Lust mir das anzuhören, da die Person, die das vorträgt, eine ehrliche und authentische Begeisterung rüberbringt. Das Format bietet viel Potential, anderen zu zeigen, womit man sich abseits der Uni noch beschäftigt.

María: Es lebt von der Diversität: Je mehr unterschiedliche Themen umso besser. Seitdem ich das im Kopf habe, fallen mir ständig Themen ein, über die ich gerne was erzählen oder hören würde. Für die kommenden Veranstaltungen sind wieder super bunte Themen in Aussicht: ich habe zum Beispiel was über Bienensterben gehört, über Bier, Gender-Studies, Nachhaltigkeit an der Uni. Wichtig ist uns nur zu betonen, dass wir keine rassistischen, keine sexistischen und keine Propaganda-Vorträge oder anderweitige Themen dieser Art annehmen werden. Solche Anfragen werden von uns geblockt. Wir möchten die Themenwahl nicht eingrenzen, aber es muss alles auf einer fakten-basierten und rationalen Ebene ablaufen. Vielleicht auch im emotionalen, aber im begründeten emotionalen Rahmen.

Welche Tipps habt ihr für Interessierte, die zu 6 Minutes of Fame kommen wollen?

María: Die Motivation und den Willen mitzubringen, etwas mit Leuten zu teilen, das diskussionsfähig ist. Wir wollen Leute ermutigen, auf die Bühne zu kommen, weil jeder was zu erzählen hat. Das dann möglichst kompakt auf 6 Minuten runterzubrechen ist die eigentliche Kunst.

Jakob: Für die, die im Publikum sitzen, ist Offenheit und Geduld gefragt. Man sollte die Neugierde und Lust mitbringen, sich etwas anzuhören, verschiedene Themen spannend zu finden und nicht enttäuscht sein, wenn nicht krasses Fachwissen vermittelt wird, sowie Toleranz für das amateurhafte Niveau haben.

Was denkt ihr welche Vorteile es für einen selbst als Referent*in gibt?

María: Auf jeden Fall die Atmosphäre und die Tatsache dass jeder, der referiert meist blutiger Anfänger ist und das auch zum ersten Mal macht. Man wird nicht evaluiert. Es ist eine Möglichkeit, einfach mal ohne Stress etwas zum besten zu geben. Außerdem verlernt man so nicht, in den Diskurs mit Leuten zu gehen. Auch die Möglichkeit Leute zu finden, die die gleichen Interessen teilen, kann ein großer Vorteil sein. Das war mein erstes Semester hier und ich konnte dadurch gleich super gut Kontakte knüpfen. Ich hab das in einer Vorlesung erzählt und gleich nach der Vorlesung kamen super schnell neugierige Menschen zusammen, die ähnliche Interessen haben, aus denen sich mittlerweile schöne Freundschaften entwickelt haben.

Jakob: Auch zu sehen, welche Wertschätzung es für die eigenen Gedanken und das eigene Interesse geben kann. Dass es etwas ist, das man nicht nur selbst hat, sondern dass man die Begeisterung auch auf andere übertragen kann.

Welche Zukunftspläne gibt es für 6 Minute of Fame?

María: Wir wollen das auf jeden Fall regelmäßig etablieren, damit man weiß: Jeden dritten Donnerstag im Monat sind wir da in der Vorlesungszeit. Die Daten für dieses Jahr stehen auch schon fest, damit es berechenbar ist. Außerdem wollen wir weiterhin viele Leute zusammenbringen, damit es eine ganz bunt gemischte Gruppe wird. Und das irgendwann jeder, wenn er 6 Minutes of Fame hört, weiß was es ist.

Jakob: Ansonsten ist unser Ziel, die von Interesse und Neugierde geprägte Atmosphäre weiterhin aufrecht zu erhalten.

Vielen Dank für das Interview! Gibt es etwas, dass ihr den Leser*innen noch sagen wollt?

María: Kommt vorbei! Wir freuen uns auf jeden und alle Themen, die aufkommen.

Aufgrund der aktuellen Situation müssen die Veranstaltungen von 6 Minutes of Fame leider verschoben werden. Auf http://www.facebook.com/6minutesoffame/ könnt ihr euch über die Termine und den Veranstaltungsort informieren.

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One thought on “„Wir wollen Leute ermutigen auf die Bühne zu kommen, weil jeder was zu erzählen hat“

  • April 29, 2020 at 09:59
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    Supersache 😊
    Vortragen und Freisprechen und zugleich Spass haben!

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