Quo Vadis, Semesterticket?
Der AstA hat eine Studierendenumfrage zu einem erweiterten, landesweiten Semesterticket gestartet. Das neue Ticket soll Strecken nach Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und sogar den Niederlanden umfassen. Was zunächst gut klingt, birgt Nachteile – vor allem für den Geldbeutel. Eine Analyse.
Von Jan Aljoscha Wildenhain
Bevor man sich die Preisentwicklung des Semestertickets der Studierenden der Universität Bremen, und die daraus resultierenden Mehrbelastung der Studenten, vor Augen führt, sollte man zunächst die Vor- wie auch Nachteile eines Semestertickets betrachten.
Semesterticket – Fluch oder Segen?
Das Semesterticket ist für alle Studierende der Universität Bremen verpflichtend. Dementsprechend sind auch Studierende, die es nicht benötigen, da sie beispielsweise mit Auto oder Fahrrad unterwegs sind, gezwungen, ihren Anteil zu leisten, um den Preis des Tickets niedrig zu halten. Überhaupt ist gerade Bremen doch eine Fahrrad-Hauptstadt, von Fahrrad-Expresswegen bis hin zu Fahrradvorfahrtsstraßen bestehen in Bremen zahlreiche Möglichkeiten, auf zwei Rädern gut durch den Alltag zu kommen. Nicht umsonst werden in Bremen fast ein Viertel aller Wege mit dem Rad zurückgelegt, wobei der Anteil der Studierenden hieran sogar noch größer sein könnte.
Ein maßgebliches Argument pro Semesterticket ist sein großer Geltungsbereich, der es nicht nur jungen Menschen aus der Umgebung Bremens ermöglicht, kostengünstig zur Universität zu gelangen. So lässt sich das Semesterticket auch für Freizeitzwecke nutzen – ob für Fahrten zu Freunden oder Wochenendurlauben an der Nordsee. Im Vergleich zu dem Ticket der Uni Hamburg, das lediglich zu Fahrten innerhalb der Stadt und des unmittelbaren Umlands berechtigt, ein unglaublich großer Geltungsbereich. Der Umweltschutz durch Studierende, die durch das Semesterticket mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Uni kommen, mag nur ein kleiner Faktor sein, ist aber nicht zu vernachlässigen. Ohnehin gäbe es gar nicht genügend Parkplätze für alle Studierende. Ein Hauptargument pro Semesterticket wird durch den Vergleich zu den sonstigen Kosten des Nahverkehrs ersichtlich. Wenn man in Bremen ein nicht ganz gleichwertiges Ticket allein für den Stadtbereich haben möchte, müsste man mit 361,20€ pro Semester tief in die Tasche greifen.
Alles in allem kann man froh sein das Semesterticket zu haben.
Preisentwicklung des Semestertickets
Um sich die Preisentwicklung des Semesterticket in den letzten Jahren zu veranschaulichen, führen wir uns die allgemeine Preisentwicklung seit dem Jahr 2006 vor Augen.
In diesem Zeitraum sind die Preise inflationsbedingt um 18,23% gestiegen. Im Jahr 2006 zahlte man als Student in Bremen für sein Semesterticket noch 68,50€, was einen Anteil von 40,77% am Semesterbeitrag entsprach. Wenn man die Inflation als Kennwert der Teuerung nimmt, wofür sie gedacht ist, würde man im Jahre 2018 für sein Semesterticket also theoretisch 80,99€ zahlen.
Wir alle sind uns bewusst, dass das Semesterticket uns ungleich tiefer in die Taschen greifen lässt.
Tatsächlich sind die Kosten des Semestertickets von eben jenen 68,50€ 2006 auf 177,42€ im Jahr 2018 gestiegen. Dies entspricht einer Preissteigerung von unfassbaren 159%. Mit einem Anteil am gesamten Semesterbeitrag von 53,53% liegt die Universität zwar unter dem Durchschnitt von 60%, hat jedoch auch eine Steigerung von 12,76% hinter sich.
An dieser Stelle sei auf die Universität Köln verwiesen. Der Anteil vom Semesterticket am Semesterbeitrag beträgt zwar stolze 67%, kostet allerdings effektiv nur 176,10€ und reicht für ganz Nordrhein-Westfalen.
Blick auf die Studierendenbefragung zur Einführung des landesweiten Semestertickets
Die Einführung des landesweiten Semestertickets würde den Studierenden der Universität Bremen ermöglichen durch ganz Niedersachsen und darüber hinaus mit dem Semesterticket zu reisen. Es wird uns die traumhafte Vorstellung angeboten mit dem Ticket ganz nach Kiel, nach Magdeburg oder Kassel fahren zu können. Von einer endlich (!) transparenten und nachvollziehbaren Kalkulation wird geschwärmt. Je nach Nutzungsintensität profitiert man mehr und kommt gar nicht mehr aus dem Staunen heraus.
Dass dadurch die Kosten für das Semesterticket, außerhalb der regelmäßigen Preisanstiege, um weitere 15,94% steigt, wird da schnell vergessen. Es sind ja schließlich nur 28,28€ und sowieso nur eine Angleichung an andere Hochschulen. Mit voraussichtlichen Kosten von 200,12€ für das Semesterticket hätten wir somit eine Preissteigerung von 192,15% zu 2006. Ganz nebenbei steigt dabei der Anteil des Semestertickets am Semesterbeitrag auf 57,23%.
Zitat des ASTA Bremen: „Je nach Nutzungsintensität durch die Studierenden in Niedersachsen und Bremen können die Preise steigen oder fallen.“ Wer glaubt daran, dass sich die Betriebe Einkommen bei geringer Nutzungsintensität entgehen lassen? Viel wahrscheinlicher ist da doch, dass die Preise noch schneller wegen „intensiver Nutzung“ des schon bezahlten Pakets steigen.Das ist noch nicht genug: Sollten die Studierenden der Universität Bremen die Einführung des landesweiten Semesterticket nicht zustimmen, die Universitäten in Niedersachsen aber schon, so fallen vom momentan gültigen Semesterticket die Strecken nach Hannover, Hamburg oder Osnabrück weg. Kurz: Der Student soll mit der Pistole auf der Brust entscheiden.
Wenigstens kann man sich darauf freuen, dass unser AStA nicht mehr die Verhandlungen mit den Betrieben leitet. Bei einer Preissteigerung von 159% in 12 Jahren ein Glück für alle Studierenden in Bremen und Niedersachsen.