Wo bleiben die Studierenden?

Zum Studierendenrückgang an der Uni Bremen und den möglichen Ursachen

Die Universität Bremen beklagt aktuell einen Rückgang der Studienbewerber*innen um 15% im Vergleich zum Vorjahr. Das Rektorat beschwichtigt, doch das Urteil der Studierenden zeigt eines ganz besonders: Es gibt Probleme auf allen Ebenen.

Von Florian Fabozzi

Wer nach schwarzen Tagen in der Geschichte der Uni Bremen sucht, kommt um den 29. September 2017 nicht herum. An diesem frühherbstlichen Freitag gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft bekannt, dass die Universität Bremen von 2019 an ihren Exzellenzstatus verlieren würde. Eine Nachricht, die das Rektorat bis ins Mark erschütterte, ging man doch davon aus, die Bewahrung des Exzellenzstatus sei nur eine Formsache. Von den fünf Forschungsschwerpunkten, für die die Universität Bremen einen Förderantrag stellte, wurde lediglich das Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (Marum) zum Exzellenzcluster ernannt. Zu wenig für den Titel als Exzellenzuniversität, mit dem man sich nur zu gern schmückte und welcher die Universität Bremen internationale Wettbewerbsfähigkeit verlieh.

Es ist seither ein Jahr vergangen, doch die Hiobsbotschaften für den kränkelnden Patienten aus Horn-Lehe nehmen kein Ende. In der Sitzung des akademischen Senats am 24. Oktober musste das Rektorat einen Rückgang der Bewerberzahlen um 15% im Vergleich zum Vorjahr einräumen. Das wäre nur halb so schlimm, wenn die Universität Bremen nicht im 2014 vereinbarten Hochschulpakt von Bund und Ländern involviert wäre. Dieser hat für Bremen in diesem Semester eine Mindestanzahl von Studienbewerber*innen pro Semester vor, welche die Uni Bremen in diesem Wintersemester kläglich verfehlte. Misslingt der Uni die Wende zum Positiven, muss sie bereits erhaltene und verplante Fördergelder zurückzahlen. Da kommt die Rückkehr Niedersachsens zu G9 (Abitur nach neun Jahren) gar nicht gelegen, da dadurch ein Abiturjahrgang ausfallen wird. Weitere Bewerbertiefs sind demnach zu befürchten.

Rektorat gibt Entwarnung

Es ist naheliegend, die Aberkennung des Exzellenzstatus und der einhergehende Imageverlust mit dem plötzlichen Studierendenrückgang in Verbindung zu bringen. Das Rektorat möchte dies als Ursache nicht ausschließen, hält es jedoch für “reine Spekulation”. Es sei ohnehin kein Grund in Panik zu verfallen, denn die Prognosen des Hochschulpakts gingen von “falschen Annahmen” aus. Entgegen der von der Kultusministerkonferenz erstellten Prognose hätten sich zuletzt viel mehr Abiturienten als angenommen für ein Freiwilliges Soziales Jahr vor dem Studiumseintritt entschieden. Des Weiteren haben zahlreiche Universitäten in Deutschland ihr Studienangebot zuletzt ausgebaut und damit neue potenzielle Bewerber*innen angelockt. Die Universität Bremen schien hier nicht ausreichend aktiv gewesen zu sein. Zumindest ist eine Erweiterung des Angebots durch englischsprachige Studiengänge angedacht, um gezielt internationale Studierende in die Hansestadt zu lotsen. Thomas Hoffmeister, Konrektor für Studium und Lehre, verweist ferner darauf, dass es in Bremen einen hohen Anteil zulassungsbeschränkter Studiengänge gäbe. Weniger Bewerbungen bedeutet also in erster Linie nur weniger Absagen. Der Rückgang der tatsächlichen Erstsemester halte sich dagegen in Grenzen.

Imageproblem und seine Gründe

Der Beschwichtigung des Rektorats zum Trotz: Die Universität Bremen hat ein Imageproblem, und das nicht erst seit dem Verlust des Exzellenzstatus. Wir fragten 300 Bremer Studierende, woran es denn liegen könnte, dass andere Universitäten bei der Wahl bevorzugt würden. Ein Großteil der Teilnehmer*innen verwies auf die schlechte Außendarstellung der Uni. Ein wenig einladender, grauer und moderner Campus prägen das Erscheinungsbild der Universität. Kritisiert wurden obendrein die mangelnde und nicht zeitgemäße Ausstattung der Räume, von denen einige einer Sanierung bedürfen.

Ein großer Teil der Kritik richtet sich gegen die Organisation. Schwerfällige Abläufe seitens der Verwaltung und des Prüfungsamtes sowie fehlende Ansprechpartner*innen erschweren den Studienalltag. In Online-Foren spricht sich so etwas schnell herum. Eine der Teilnehmer*innen bemängelt, die Universität habe sich sehr spät gemeldet und ihre Immatrikulation bestätigt. Da sie auch die Semesterunterlagen sehr spät erhalten habe, hatte sie sich einige Wochen lang reguläre Bus- und Bahntickets kaufen müssen – obwohl sie die Gebühr für das Semesterticket längst bezahlt hatte.

Stichwort Gebühr: Diese seien in Bremen allgemein sehr hoch, dazu kommen horrende Kosten während des Studiums, wie zum Beispiel für Fremdsprachenkurse. Auch die Lehre an der Uni Bremen kam bei der Umfrage nicht sehr gut weg. In Studienverlaufsplänen käme es des Öfteren zu Überschneidungen, die einen Abschluss in der Regelstudienzeit verkomplizieren. Die Modulsysteme seien starr und ließen den Studierenden wenig Freiräume. Zudem werden von einigen der Teilnehmer*innen die hohen Zulassungsvoraussetzungen moniert.

Einen berüchtigt schlechten Ruf haben nach Angaben einiger Studierender vor allem die Lehramtsstudiengänge, die den Praxisbezug vermissen lassen. Der Abbau einiger prominenter Studiengänge, wie etwa Sport, habe zur Bewerbungsmisere beigetragen. Auch einen Medizinstudiengang sucht man in Bremen bekanntlich vergeblich.

Bildungsstandort Bremen?

Einige sehen weniger ein Imageproblem der Universität, als eines der Stadt Bremen. Miserable Pisa-Ergebnisse, niedriges Abiturniveau – wenn es um Bildung geht, steht Bremen in aller Regel negativ in den Schlagzeilen. Wenngleich die Universitätslehre davon unbeeinflusst bleibt, hat sich für Bremen längst der Ruf eines schlechten Bildungsstandorts herausgebildet. Bremen ist weder eine Metropole à la Hamburg oder Berlin, noch eine typische Universitätsstadt wie Marburg oder Tübingen. Bremen müsse eigene Wege finden um ein Studierendenmagnet zu werden – das geht aus der Umfrage deutlich hervor. Den Verlust des Exzellenzstatus nannten übrigens nur elf der teilnehmenden Studierenden als mögliche Ursache für die niedrigen Bewerberzahlen.

Was kann man verändern?

Was sind mögliche Maßnahmen, mit der Bremen und die Universität zum “Studierendenmagnet” werden kann? um Auch hier gab es seitens der Umfrageteilnehmer*innen eine Reihe von Anregungen. Eine Strategie wäre beispielsweise, mehr Partizipation der Studierenden zuzulassen. Bei wichtigen Entscheidungen, die alle Studierende betreffen, etwa die neue Hausordnung sollten Studierende nicht vor vollendeten Tatsachen gestellt werden, sondern die Möglichkeit zur aktiven Mitbestimmung erhalten. Ein*e Student*in schlägt die Abschaffung des Modulsystems zugunsten von Projektseminaren und studiumsbegleitende Praktika vor. Hier hat die Universität bereits reagiert: Gemäß des aktuell erarbeiteten Wissenschaftsplans 2025 soll das forschende Lernen künftig verstärkt gefördert werden. Ein Wunsch, der aus der Umfrage hervorgeht, ist der nach einer stärkeren Vernetzung der Fachbereiche untereinander und mit Universitäten im Ausland. So kann eine bessere Integration eines Auslandssemesters in das eigene Studium sichergestellt werden. Die Erweiterung extracurricularer Angebote und günstigere Wohnmöglichkeiten könnten der Attraktivität der Bremer Uni ebenfalls zugute kommen.

Infoveranstaltung am Donnerstag
Das Rektorat möchte aus den alarmierenden Zahlen nun die richtigen Schlüsse ziehen und das eigene Marketingkonzept auf den Prüfstand stellen. In der Tat war auch die wenig bis gar nicht vorhandene Werbung der Uni ein mehrmals genannter Kritikpunkt. In diesem Zusammenhang ist auch der bereits entworfene Wissenschaftsplan 2025 wichtig, in dem die Universität klare Ziele für die Zukunft formuliert. Wer sich weitergehend informieren möchte – sowohl über den Bewerberrückgang und dem Wissenschaftsplan – und das Gespräch von Angesicht zu Angesicht mit den Rektoren sucht, hat am Donnerstagnachmittag die Möglichkeit dazu. Um 15 Uhr findet in der Mensa eine Informationsveranstaltung über aktuell diskutierte Themen statt. Auch die neueste Entwicklung der Studierendenzahlen wird dabei zur Sprache kommen. Vor Ort sein werden der Rektor Bernd Scholz-Reiter, Andreas Breiter (Konrektor für Forschung), Professor Thomas Hoffmeister (Konrektor für Lehre und Studium), Professorin Eva-Maria Feichtner (Konrektorin für Internationalität und Diversität) und Kanzler Dr. Martin Mehrtens.

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