Coronas literarische Vorboten – Geschichten über Viren und Pandemien

Teil 2: "Fever" von Deon Meyer

Schon zu Zeiten, als Corona noch das spanische Wort für “Krone” oder ein mexikanisches Maisbier war, waren Epidemien und Pandemien ein beliebtes Motiv in der Literatur, sei es, um vor einer bestehenden Gefahr zu warnen oder als Analogie zu anderen Sachverhalten. Im Anbetracht der aktuellen Lage haben wir eine neue Rubrik ins Leben gerufen: Coronas literarische Vorboten. Hier stellen wir Erzählungen und Romane vor, die von Viren und Pandemien handeln. Dabei schauen wir sowohl auf alte als auf jüngere Werke der Literaturgeschichte. Können wir aus manchen dieser Erzählungen vielleicht auch Schlüsse für die Gegenwart ziehen?

Von Bastian Bönisch

Die Welt ist dem Abgrund geweiht, die Natur holt sich zurück, was die Menschen ihr genommen haben. Ein Überlebenskampf beginnt, in welchem jeder dazu aufgefordert ist, sein Bestmögliches zu geben, damit die Menschheit nicht vollständig vernichtet wird. In ‚Fever‘ wird die Welt nach einer Seuche beschrieben, die auf den Corona-Viren basiert und damit absolut an die aktuelle Situation angepasst ist. Der Roman spielt in Südafrika und erzählt die Geschichte von Nico Storm, der gemeinsam mit seinem Vater versucht, mit den wenigen verbliebenen Menschen eine Gemeinschaft zu formen.

Schnell wird dem Leser dabei deutlich, welche Folgen die Corona-Epidemie für die Welt hatte: Über 90% der Weltbevölkerung sind an dem Fieber gestorben, nur wenige Menschen konnten eine Immunität gegen das Virus entwickeln. Während Nico mit seinem Vater durch die ehemals dicht besiedelten Gebiete Südafrikas fährt, wird klar, dass es in dieser postapokalyptischen Zeit zu viele Gefahren gibt, als dass man sich allein durch die Welt schlagen könnte. Nachdem die beiden Protagonisten des Romans sowohl die menschlichen Abgründe anderer Überlebender als auch mutierte Hunderassen kennenlernen mussten, entschließen sich beide, eine Gemeinschaft aufzubauen, um nah an das menschliche Leben vor der Apokalypse heranzukommen.

‚Fever‘ ist somit ein Roman, der zu großen Teilen darauf beruht, inwieweit es für die Menschen in der Postapokalypse möglich ist, eine geordnete gesellschaftliche Struktur aufzubauen, ohne an den drohenden Gefahren zu scheitern. Dass nicht alle Menschen für ein gemeinsames Zusammenleben gemacht sind, ist eine Gefahr, die im Roman erst zu spät erkannt wird, so dass die Gutgläubigkeit eine Tugend ist, die schnell hinterfragt wird. Zwar steigt die Zahl der Gemeinschaftsbewohner schnell an, was auch an der guten geographischen Lage des neu errichteten Dorfes liegt, mit der steigenden Zahl der Einwohner steigt jedoch auch die Zahl der Probleme. Das Buch geht dabei detailliert auf verschiedene Bereiche ein und behandelt die positiven Seiten und Möglichkeiten, welche durch die Epidemie gegeben werden, zeigt jedoch auch deutlich auf, dass viele Menschen mit einer solchen Situation nicht zurechtkommen und die Verluste psychisch nicht verkraften können.

In ‚Fever‘ wird der Fokus dabei auf zwei verschiedene Punkte gelegt: Neben den Erklärungen über die Entwicklungen einer Gemeinschaft, die auch den Ausbau sowie Expeditionen und Kämpfe gegen andere menschliche sowie tierische Feinde beinhaltet, nimmt auch die Entwicklung des Protagonisten eine wichtige Rolle ein. Da der Roman als Tagebuch von Nico verfasst wurde, erhält der Leser viele Einblicke in das Leben des Jungen. Nico beschreibt sein 13-jähriges Ich dabei zunächst als schwächlich und zurückhaltend, im Laufe des Romans erhält er jedoch mehr Verantwortung und muss sich öfter beweisen. Es wird deutlich, dass es in dieser postapokalyptischen Welt nicht nur auf die Zusammenarbeit der Erwachsenen ankommt. Die typisch-pubertären Probleme zwischen Vater und Sohn werden dabei detailliert und gefühlvoll beschrieben, sind gleichzeitig aber auch an die herrschenden Umstände angepasst, so dass sie nicht deplatziert wirken.

© Rütten & Loening

Der Roman hat dabei seine Stärken, offenbart jedoch auch Schwächen. Es ist zwar einerseits informativ, dass Nico als Protagonist seine eigene Lebensgeschichte niederschreibt, dadurch entstehen jedoch gleichzeitig auch Probleme. Da Nico beim Verfassen seines Tagebuchs schon Mitte 40 ist, werden viele Dinge vorweggegriffen. Direkt zu Beginn wird erwähnt, dass sein Vater im Laufe der Erzählung sterben wird, so dass es für den Leser keine Überraschung mehr bietet und dieser Moment quasi erwartet wird. Ein plötzlicher Tod des Vaters wäre deutlich ergreifender gewesen, so weiß man jedoch schon ab dem ersten Moment, dass der Vater sterben wird. Ebenfalls ist zu bemängeln, dass das Ende relativ plötzlich kommt und genauso schnell wieder vorbei ist. Zwar wird ein großer Teil der Geschichte über die Gemeinschaft sehr detailverliebt beschrieben, zum Ende hin nimmt diese Genauigkeit jedoch ab und Zusammenhänge werden nur noch sehr schnell abgearbeitet. Das Ende von ‚Fever‘ wirkt, als hätte Deon Meyer aus dem Nichts keine Lust mehr gehabt, seinen Roman weiter zu schreiben und dadurch ein möglichst schnelles (und unrealistisches) Ende ausgewählt. An dieser Stelle fühlt man sich als Leser ein bisschen so, als hätte man eine neue Lieblingsserie entdeckt, die in allen Folgen bis zum Staffelfinale großartig gewesen ist, im Staffelfinale selbst jedoch komplett versagt und alles zuvor Aufgebaute wieder einstürzen lässt.

Es wäre zudem wünschenswert gewesen, mehr über den Aufbau der Gemeinschaft und über das Zusammenleben nach dem Ende der Geschichte zu erfahren. Das Ende setzt einen Schnitt, wo (noch) kein Schnitt nötig gewesen wäre. Oft wird im Roman erwähnt, dass Nico in seinen Vierzigern ist, der Roman endet jedoch an einer Stelle, an der er das zwanzigste Lebensjahr noch nicht überschritten hat. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen haben in der Gemeinschaft und in der Welt stattgefunden? Welche neuen Gefahren sind entstanden? All das sind Fragen, die der Leser nicht beantwortet bekommt, da über 20 Jahre nicht thematisiert werden.

Trotz des enttäuschenden Endes ist ‚Fever‘ ein Werk, welches auf jeden Fall weiterempfohlen werden sollte. Die Dystopie einer postapokalyptischen Welt wird dabei gut dargestellt, die dank fehlender Zombies auf dem Zusammenleben der Menschen basiert. Somit wird der Reihe der apokalyptischen Romane kein weiterer Zombie-Roman hinzugefügt, stattdessen liegt der Fokus auf menschlichen und sozialen Aspekten, was insgesamt einen wichtigen Teil der Spannung und des Lesevergnügens ausmacht.

Fever, Deon Meyer, dystopischer Roman, Rütten & Loening Verlag, 702 Seiten, 2017.

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