Wenn alle das Eine wollen…
An bestimmten Tagen im Winter trifft man mehr Leute in der Uni, als während des gesamten Semesters. Grund dafür ist ein traditionelles, norddeutsches Gericht, das sogar Studenten aus dem Haus lockt, die ihre Zeit lieber mit Netflix im Bett verbringen.
Von Saskia Langrock
Eine Menschenmasse zeichnet sich auf dem Uni-Boulevard in der Nähe der Mensa ab. Bei genauerem Betrachten zeigt sich, dass diese Menschen eine Schlange bilden, die langsam im Inneren der Mensa verschwindet. Ein verwirrter Ersti, dem im letzten Monat nicht annähernd so viele Menschen beim Mittagessen begegnet sind, mag sich nun die Frage stellen: Was ist hier los? Gibt es etwas umsonst? Um den verwirrten Ersti aufzuklären: Nein, es gibt nichts umsonst, es gibt Grünkohl!
Wer in Norddeutschland aufgewachsen ist, kennt das leckere Gericht, das traditionell in den Wintermonaten gegessen wird. Der Kohl wird serviert mit Kartoffeln, Kasseler, Kochwurst oder Pinkel. Je nach Region können sich die Zutaten und Beilagen unterscheiden. Häufig wird das traditionelle Gericht nach einer ausgiebigen Tour mit Bollerwagen, Spielen und dem ein oder anderen alkoholischen Getränk in einem Gasthof gegessen. Nach dem Essen werden ein Kohlkönig und eine Kohlkönigin gewählt, die im nächsten Jahr die sogenannte Kohltour oder Kohlfahrt organisieren dürfen. Es ist eindeutig: Grünkohl ist tief in der norddeutschen Kultur verankert und darf somit auch an der Bremer Universität nicht fehlen.
In den Monaten November bis März kann man das Wintergemüse ungefähr einmal im Monat in der Mensa finden und das lockt viele hungrige Studenten, Mitarbeiter und Professoren an. Kein Wunder, dass die Schlange für das Essen 1 an diesen Tagen sogar bis auf den Boulevard reicht. „Unser Grünkohl ist sehr beliebt und gerade beim ersten Mal in der Saison entwickelt sich das ganze immer zu einem ‚Großkampftag‘ “, erzählt Heiko Osterloh, Betriebsleiter der Unimensa am Boulevard des Studentenwerks Bremen. „Für den ersten Tag in der diesjährigen Saison haben wir 600 Kilo Grünkohl bestellt, an den darauffolgenden Terminen ist es meistens etwas weniger“, sagt Osterloh, der selber Grünkohl-Fan ist. Die Tradition, dass es in der Mensa passend zur Saison Grünkohl gibt, ist schon so alt wie die Uni selbst. Dass das Essen so beliebt ist, erklärt der Betriebsleiter wie folgt: “Der Grünkohl ist selbst gekocht und ein klassisches regionales Gericht. Der Trend regionale Gerichte zu essen wird immer beliebter und gehört einfach dazu.“
Natürlich gehören zu lange verankerten Traditionen auch Regeln, die im Volksmund bekannt sind. Beim Grünkohl ist es die Regel, dass es vor der ersten Ernte gefroren haben muss. Diese Aussage ist schon alt und muss zur heutigen Zeit nicht mehr unbedingt beachtet werden, trotzdem hat sie Wahrheitsgehalt. „Durch den Frost werden die Bitterstoffe im Kohl abgebaut und er schmeckt dadurch besser, außerdem wurde früher gesagt, dass sich bei der Kälte das Ungeziefer vom Gemüse zurückzieht“, erklärt Osterloh. „Wir greifen aber in der Mensa auf tiefgefrorenen Kohl zurück. Der schmeckt genauso gut und erspart uns einen großen Arbeitsaufwand.“
Der erste Grünkohltermin in der Mensa in der diesjährigen Saison war Donnerstag, der 9. November. Bei den weiteren Terminen gilt: Nicht über die lange Schlange wundern, sondern einfach anstellen und eine leckere Portion abholen! Und für alle, die eine zweite, überaus lange Schlange im Dezember entdecken: Es gibt auch noch das traditionelle Weihnachtsessen, das ist aber eine andere Geschichte. Der SchweinWerfer wünscht fröhliches Grünkohlessen und einen guten kulinarischen Start in die Winterzeit!