Alle sind gefragt!
Ein Plädoyer zu Klimaschutz und Eigenverantwortung
‚Nachhaltigkeit‘ und ‚Klimaschutz‘ sind gern verwendete Begriffe des 21. Jahrhunderts. ‚Generation Z‘, ‚Klimawandel‘ und ‚CO2-Fußabdruck‘ werden landläufig weniger gerne gehört, aber umso lieber und inflationärer verwendet. Oft, um im Gegenüber ein schlechtes Gewissen zu erwecken. Ob das schlechte Gewissen wirklich eine Verhaltensveränderung bewirkt oder ob es nicht zielführender wäre, sich für nachhaltiges Handeln zu loben, sei mal dahingestellt. Psychologen jedenfalls betonen die mangelnde Wirksamkeit von Negativzielen, also dem Bestreben, etwas nicht zu tun.
Auffallend stellt die ganze Corona-Krise heraus, dass das Denunzieren der Mitmenschen für viele Deutsche erstrebenswerter erscheint als die Bereinigung des eigenen Gewissens. Dem Nachbarn in der Mittagspause auffallend verachtend auf sein Wurstbrötchen zu starren ist eben einfacher und mit weniger persönlichen Einbußen verbunden, als den Sommerurlaub von Mallorca an die Nordsee zu verlegen. Ebenso schieben Privatpersonen der Politik gern die alleinige Entscheidungsmacht über ihre Zukunft zu. In sozialen Netzwerken, auf Demonstrationen und in privaten Haushalten wird über die Handlungsunfähigkeit unserer Politiker hergezogen. Dass diese Lähmung eine entscheidende Rolle im Klimaschutz spielt, ist indiskutabel. Die Art der öffentlichen Energiegewinnung, Schritte in der Verkehrswende oder Beschlüsse zu Plastikreduktion – all diese Spielbälle befinden sich in den Händen der Politik. Dabei übersehen Politikverdrossene, die ihr gesamtes Schicksal in der Hand vermeintlich unfähiger politischer Entscheidungsträger sehen, allerdings einige entscheidende Punkte, absichtlich oder unabsichtlich.
Private Haushalte sind für über ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich, so das Bundesministerium für Umwelt auf ihrer Webseite. Konsumgüter seien in die Gleichung noch nicht mit einbezogen. Wut auf unsere träge Politik mit der rechten Hand im Internet zu verbreiten und zeitgleich mit der linken im selbigen bei Amazon zu shoppen, verträgt sich nicht einwandfrei. Massentierhaltung als schlecht anzukreiden und vorm Kühlregal dennoch lieber zum zwanzig Cent günstigeren Hackfleisch zu greifen, ebenso wenig. Konsum macht in Deutschland etwa 30 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen aus, die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung etwa 25 Prozent, so die Akademie für Nachhaltigkeit Bremen. Das Konsumverhalten muss nachhaltiger werden, und da kann jeder mitentscheiden. Zu günstigen, klimaunfreundlichen Produkten und Dienstleistungen zu greifen und emissionsfreie Versionen, hinter denen eventuell mehr Kosten und Aufwand stehen, beiseitelassen – das ist nicht bloß ein Phänomen der Bundesregierung, sondern auch bei Privatpersonen weit verbreitet.
Wer bei der Verkündung der „Ergebnisse“ des nächsten Klimagipfels Aggressionen verspürt, darf diese gerne als Zündfeuer nehmen, gegen diese Ungerechtigkeit aufzustehen und zuerst das eigene Konsum-, Ess-, und Mobilitätsverhalten zu überdenken, damit der Protest glaubwürdig erscheint. Und wen die Angst vor der Zukunft lähmt, der kann sich zukünftig ein Stück Autonomie und Handlungsfreiheit bewahren, indem er klimafreundliche Konsummöglichkeiten im sozialen Umfeld bekanntgibt. Aber ohne den Zeigefinger zu heben, bitte.