Corona und Ehrenamt

Wie arbeitet die Hilfsorganisation Oxfam während der Pandemie?

Die Corona-Krise hat in den letzten Monaten viele Geschäfte vor große finanzielle Probleme gestellt. Aufgrund des Lockdowns konnten keine Einnahmen generiert werden, was viele Geschäfte in eine finanzielle Notlage brachte. Insbesondere die Hilfsorganisationen leiden unter der Krise, so auch der Oxfam-Shop in Bremen. Im Interview mit dem ScheinWerfer  stellt Margit Löffler, Shop-Referentin des Oxfam-Shops in Bremen, die Organisation vor und berichtet über die Situation während der Corona-Pandemie.

Scheinwerfer: Frau Löffler, Was ist Oxfam und welche Ziele verfolgt Oxfam?

Margit Löffler: Oxfam ist eine internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation, die sich für eine gerechte Welt ohne Armut einsetzt. Als NGO leistet Oxfam humanitäre Hilfe, arbeitet in Entwicklungsprojekten mit und initiiert politische Kampagnen, um die strukturellen Ursachen von Armut und sozialer Ungleichheit zu überwinden. Dazu gehören etwa die Folgen der Klimakrise und unfaire Handelsregeln. Auf diese Weise unterstützen wir die Menschen im sogenannten globalen Süden, sich langfristig selbst aus der Armut zu befreien.

Der Schwerpunkt liegt auf Frauenförderung und Geschlechtergerechtigkeit, Grundbildung, der Sicherung von Existenzgrundlagen, der Prävention von Krisen sowie der Versorgung mit sauberem Wasser, Sanitäranlagen und Hygieneartikeln. Gerade letztere Maßnahmen sind durch die Corona-Pandemie wichtiger denn je – und Oxfam ist darin seit Jahrzehnten Experte.

Oxfam setzt sich aus 20 unabhängigen, nationalen Mitgliedsorganisationen zusammen, wir nennen sie Affiliates, die wiederum mit mehr als 3.500 lokalen Partnerorganisationen in über 90 Ländern zusammenarbeiten. Oxfam Deutschland ist eines dieser Affiliates und wurde 1995 – vor genau 25 Jahren – gegründet. Insgesamt hat Oxfam jedoch schon mehr als 75 Jahre Erfahrung in der Nothilfe und Entwicklungsarbeit: Entstanden ist Oxfam 1942 in Großbritannien als Oxford Committee for Famine Relief. Ziel war es damals, die Hungersnot der Menschen im von Deutschland besetzten Griechenland zu lindern.

Ein Teil der Mittel, die zur Unterstützung des globalen Südens notwendig sind, wird direkt über die Oxfam Shops erzielt. Wie funktioniert dieser Prozess konkret?

Das Motto von Oxfam lautet: „Wir machen Überflüssiges flüssig.“ In den Oxfam Shops werden gespendete, gut erhaltene Dinge verkauft – für den guten Zweck.
Die Shops haben ein wechselndes Warensortiment – es gibt Mode, Schmuck und Accessoires, Bücher, CDs, DVDs, Spiele, Deko-Artikel und Haushaltsgegenstände. Das Besondere: Die Läden werden ausschließlich von Ehrenamtlichen geführt, die Oxfam statt Materiellem ihre Zeit spenden. In Deutschland gibt es 54 Secondhand-Läden in 34 Städten. Die Filiale in Bremen ist in der Knochenhauerstraße 18/19 zu finden – ganz in der Nähe vom Wall, direkt in der Altstadt.
Die Shops und die freiwilligen Mitarbeiter*innen tragen nicht nur wirtschaftlich zu Oxfams Arbeit bei: Sie sind vor Ort wichtige Botschafter*innen für Oxfams Ziele. Denn die Secondhand-Läden machen es Menschen leicht, mit Oxfam in Kontakt zu kommen und uns auf verschiedenen Wegen zu unterstützen: durchs Shoppen, das Spenden von Aussortiertem oder als helfende Hand vor und hinter den Kulissen des Ladens.

„Wir machen Überflüssiges flüssig.“

Wie viele Helfer hat Oxfam insgesamt? Wie viele Mitglieder hat Oxfam in Bremen?

Vor der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Geschäftsschließungen waren bundesweit insgesamt mehr als 3.400 Ehrenamtliche in den Oxfam Shops im Einsatz. Aktuell sind es deutlich weniger: Viele Freiwillige gehören zu einer COVID-19-Risikogruppe – oder Angehörige in ihrem Haushalt zählen dazu. Deshalb pausieren sie ihr Engagement im Shop. In fast allen Läden – auch in der Bremer Filiale – arbeiten aktuell weniger Freiwillige: Statt 77 sind es in Bremen zum Beispiel nur 25 Mitarbeiter*innen. Das ist auch der Grund, warum der Shop gerade verkürzte Öffnungszeiten hat: Es fehlen freiwillige Helfer*innen. Daher freuen wir uns sehr, wenn Bremerinnen und Bremer sich melden, um im Shop mitzuarbeiten – und den Laden zu schmeißen.

Welche Personengruppen engagieren sich bei Oxfam? Gibt es Einschränkungen für bestimmte Personengruppen?

Unsere Teams in den Oxfam Shops sind unterschiedlich zusammengesetzt: Sie haben zum Beispiel verschiedene berufliche Hintergründe – das reicht vom Studenten zur pensionierten Lehrerin, von der Logopädin bis zum ehemaligen Journalisten. Manche nutzen auch die Elternzeit oder eine Phase, in der sie auf Jobsuche sind, um sich bei uns zu engagieren.

Mitmachen kann jede und jeder, die oder der über 18 Jahre alt ist und für eine Schicht pro Woche im Oxfam Shop mit anpacken mag – das sind circa fünf Stunden wöchentlich. Aus aktuellem Anlass gibt es ein weiteres Kriterium: Wer sich jetzt für ein Ehrenamt im Oxfam Shop bewirbt, sollte möglichst zu keiner der Risikogruppen gehören, die das Robert-Koch-Institut für COVID-19 benannt hat.

Die Aufgaben im Oxfam Shop sind vielfältig: Die Ehrenamtlichen nehmen die gespendeten Waren an, sortieren sie, dekorieren Regale und Schaufenster. Sie beraten Kund*innen, kassieren und machen die Abrechnung. Hat jemand ein Faible für Mode, kann sie oder er sich dort besonders einbringen. Wer Bücher liebt, hat vielleicht Lust dazu, sich speziell mit dem Sortiment an Romanen, Sach- und Fachliteratur zu befassen. Wichtig ist es, Spaß an Kommunikation und der Begegnung mit Menschen mitzubringen – das ist für die Beratung der Kund*innen und die Arbeit im Team wichtig.

Wie hat sich die Arbeit von Oxfam seit dem Beginn der Corona-Pandemie entwickelt? Welche Einschränkungen mussten vorgenommen werden? Wie wurden die Hygienemaßnahmen ausgearbeitet? Wie wird auf die Sicherheit von Kunden und Mitarbeitenden geachtet?

Zum Schutz der Mitarbeiter*innen, Sachspender*innen und Kund*innen hat Oxfam in den Shops gleich zu Beginn der Pandemie erhöhte Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, zum Beispiel indem Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt und Kontaktflächen an den Kassen, aber auch Türklinken und -griffe sehr regelmäßig gereinigt wurden. Am 16. März, einige Tage vor den allgemeinen Geschäftsschließungen, hat Oxfam sich entschieden, vorsorglich alle Filialen zu schließen.

„Wichtig ist es, Spaß an Kommunikation und der Begegnung mit Menschen mitzubringen“

Ab Anfang Mai wurden die Shops bundesweit nach und nach wieder geöffnet. In Bremen steht der Secondhand-Laden den Kund*innen seit dem 13. Mai wieder offen – mit einem Hygienekonzept, das allen Menschen im Shop den bestmöglichen Schutz vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 bieten soll. Die Maßnahmen hat Oxfam anhand der behördlichen Anordnungen und den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts ausgearbeitet. Im Laden ist es zum Beispiel Pflicht, eine Mund-Nase-Maske zu tragen. Es gibt Desinfektionsstationen zum Reinigen der Hände, an den Kassen ist ein Kontaktschutz angebracht, und es darf sich nur eine bestimmte Anzahl an Personen gleichzeitig im Shop aufhalten.

Wie hat sich die Situation seit der Lockerung und der damit verbundenen Wiedereröffnung entwickelt? Gibt es mehr oder weniger Kunden? Welche Rückmeldungen gibt es von den Kunden?

Es sind tatsächlich weniger Kund*innen, die den Shop besuchen – aber das liegt an ganz praktischen Gründen: Teil der Hygienemaßnahmen ist, dass nur eine bestimmte Anzahl an Menschen sich gleichzeitig im Laden aufhalten darf. Dadurch und durch die eingeschränkten Öffnungszeiten sind es zwangsläufig zurzeit weniger Menschen, die im Oxfam Shop einkaufen. Unsere Mitarbeiter*innen bekommen im Laden jedoch sehr viel positives Feedback: Die Kund*innen freuen sich, dass ihr Oxfam Shop endlich wieder geöffnet hat. Viele hatten darauf schon sehr gewartet. Um wieder im Shop stöbern zu können, nehmen sie daher auch eventuelle Wartezeiten vor dem Laden in Kauf, wenn die Kapazität in der Filiale gerade erreicht ist.

Wenn man durch die Stadt geht, sieht man immer mal wieder „Zu verschenken“-Kisten, in denen die Menschen ihre Sachen ausgeräumt haben. Ist diese Entwicklung auch im Oxfam Shop in Bremen zu bemerken? Spenden die Leute mehr, weil sie viele Sachen beim Aufräumen gefunden haben und diese nicht mehr benötigen?

Das stimmt: Die Bremerinnen und Bremer haben die Zeit zu Hause genutzt, um fleißig auszusortieren. Vieles haben sie an den Oxfam Shop in der Knochenhauerstraße gespendet. Das war gleich anfangs nach der Wiedereröffnung ein ziemlich großes Aufkommen an Sachspenden aller Art – da kamen die eher geringen Lagerkapazitäten schon mal an ihre Grenzen. Aber nun normalisiert es sich langsam wieder. Die Ehrenamtlichen im Oxfam Shop freuen sich daher natürlich weiterhin sehr über gut erhaltene Sachen.

„Um im Shop stöbern zu können, nehmen Kunden auch Wartezeiten vor dem Laden in Kauf“

Wer uns etwas aus seinem Kleiderschrank, Bücherregal oder Haushalt spenden möchte, kann sich als Richtschnur fragen: Würde ich das selbst kaufen oder an gute Freundinnen und Freunde weiter verschenken? Dann sind die aussortierten Dinge auch im Oxfam Shop richtig. Damit die verkleinerten Teams alles bearbeiten und sortieren können, sollten im Augenblick aber jeweils nur kleine Mengen im Laden abgegeben werden: Alles, was Sie in einer Tasche oder Kiste gut tragen können.

Welche Vorteile erhält man durch eine ehrenamtliche Tätigkeit bei Oxfam? Kann eine Tätigkeit bei Oxfam auch im späteren Berufsleben weiterhelfen?

Margit Löffler, Referentin des Oxfam-Shops in Bremen
Margit Löffler, Referentin des Oxfam-Shops in Bremen (© FotoStudio8/Oxfam)

Sich im Oxfam Shop zu engagieren, also Zeit für den guten Zweck zu spenden, zeigt Solidarität mit Menschen, deren Lebensumstände von Armut und Ungleichheit geprägt sind. Es ist ein praktischer und einfacher Weg, sie dabei zu unterstützen, sich aus der Armut zu befreien. Da Secondhand außerdem nachhaltig ist, Müll vermeidet und Ressourcen schont, setzen sich die Ehrenamtlichen gleichzeitig für nachhaltigen Konsum und den Klima- und Umweltschutz ein, wenn sie im Oxfam Shop Dinge aus zweiter Hand verkaufen.
Noch ein Bonus: Das Engagement macht großen Spaß – so sehr, dass viele Ehrenamtliche gleich mehrere Jahre in den Secondhand-Läden von Oxfam mitarbeiten. Eine unserer langjährigsten Mitarbeiter*innen ist sogar schon fast dreieinhalb Jahrzehnte dabei. Im Oxfam Shop kommen sehr unterschiedliche Menschen zusammen, zwischen denen durch das gemeinsame Engagement aber großer Zusammenhalt und sogar Freundschaften entstehen.
Es gibt natürlich auch eine Menge „nebenbei“ zu lernen. Das kann auch mal ein „inoffizielles“, persönliches Ziel sein: Eine Shop-Mitarbeiterin, die vor ein paar Jahren aus Italien kam, hat den Job im Shop zum Beispiel genutzt, um ihre Deutschkenntnisse im Kontakt mit den Kolleg*innen und Kund*innen ganz schnell zu verbessern.
Spezielle Kenntnisse, zum Beispiel im Einzelhandel, setzen wir nicht voraus. Das nötige Fachwissen vermitteln wir neuen Shop-Mitarbeiter*innen während der Einarbeitung. Darin geht es um Themen wie Warenkunde, das Auspreisen und Ermitteln des Warenwerts von Secondhand-Artikeln. Je nach Einsatzgebiet erfahren die Ehrenamtlichen außerdem viel über Mode, Bücher, Spielwaren oder unser Sortiment aus dem Gebiet „Dies und Das“. Die Ehrenamtlichen haben die Möglichkeit, an Schulungen und Weiterbildungen zu ihrem „Spezialgebiet“ teilzunehmen. In den Shops lernen sie natürlich auch „by doing“ eine Menge darüber, wie ein (Secondhand-)Laden funktioniert. Wer mag, kann im Lauf der Zeit organisatorische oder andere zusätzliche Aufgaben übernehmen, zum Beispiel in der Schicht- und Shopleitung oder bei der Gestaltung der Schaufenster.
Das sind viele soziale und fachliche Fähigkeiten, die auf jeden Fall auch im weiteren Berufsleben sehr nützlich sein können. Allein ein ehrenamtliches Engagement wirkt auf viele Vorgesetzte schon sehr positiv – und das Mitwirken als Freiwillige*r in einem Shop bestätigt Oxfam den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen gern.

Wie können sich Interessierte bei Oxfam Bremen bewerben, die sich gerne ehrenamtlich engagieren würden? 

Wer mithelfen möchte, den Bremer Oxfam Shop zu schmeißen, kann sich an die zentrale Anlaufstelle bei Oxfam wenden. Die ist per Mail unter freiwilligen-management-shops@oxfam.de oder telefonisch unter +49 151 24 50 97 95 zu erreichen. Mehr Infos dazu stehen auf der Website www.oxfam-shops.de unter „Dein Oxfam Shop braucht dich!“

Titelbild: pixabay

Das Interview wurde von Bastian Bönisch geführt und von Frau Löffler schriftlich von Frau Löffler beantwortet.

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