UNICEF ist mehr als nur Spenden sammeln für ferne Länder

Das blaue Logo von UNICEF ist vielen bekannt. Doch was macht die Hilfsorganisation eigentlich genau?
Wir sprechen über die Arbeit bei UNICEF und treffen hierfür zwei Aktivistinnen.

Das Interview führte Selina Hoinkes.

UNICEF ist das 1946 gegründete Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Rund 13.000 MitarbeiterInnen setzen sich weltweit in 190 Ländern für Kinderrechte ein. Konkret beschäftigt sich UNICEF mit Themen wie der Versorgung von Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser, Sanitäranlagen und Hygieneprogrammen, der Ausstattung von Klassenräumen mit Bildungsmaterialien, dem Schutz vor Kinderehen und der Befreiung von Kindersoldaten. Zusätzlich leistet UNICEF Nothilfe in Krisenregionen, unterstützt bei der Versorgung mit Impfstoffen und der Therapie bei mangelernährten Kindern.

UNICEF setzt dabei neuste Technologie ein. So werden beispielsweise seit 2017 Drohnen zu humanitären Zwecken eingesetzt, etwa um Medikamente und Blutproben zu transportieren oder Katastrophengebiete zu identifizieren.

Wir haben das Gespräch mit zwei engagierten, jungen Frauen gesucht. Cristin Cikryt (22) und Moniek Tienken (25) engagieren sich im Rahmen der UNICEF Hochschulgruppe Bremen ehrenamtlich und wollen uns über ihre Aufgaben und Erfahrungen mit UNICEF berichten.

ScheinWerfer: Hallo Cristin, hallo Moniek. Vielen Dank, dass ihr euch für unsere Fragen Zeit genommen habt. Was studiert ihr beiden?

Cristin: Ich bin im vierten Mastersemester. Ich studiere Deutsch, Philosophie, Werte und Normen und Darstellendes Spiel auf Lehramt.

Moniek: Ich bin bereits fertig mit dem Studium. Zuvor habe ich International Business im Bachelor und Supply Chain Management im Master an der Universität Groningen studiert. Nach dem Studium bin ich nach Bremen gezogen und arbeite im Bereich Software Consulting.

Seit wann engagiert ihr euch bei UNICEF?

Cristin: Seit Januar 2018, also jetzt tatsächlich schon über drei Jahre und seit Oktober 2018 bin ich im Leitungsteam tätig.

Moniek: Ich bin seit Oktober 2018 dabei und seit Mitte 2019 bin ich auch im Leitungsteam.

Wie viel Stunden engagierst ihr euch durchschnittlich in der Woche für UNICEF?

Cristin: Das ist schwer einzuschätzen, weil das sehr stark variiert. Unsere Treffen sind alle zwei Wochen, in manchen Wochen kommt ein Treffen mit den Leitungen hinzu oder die Teilnahme an einem von UNICEF angebotenen Online-Seminar. Der Zeitaufwand für die Planung und Durchführung von Projekten oder die Kommunikation, zum Beispiel mit Interessierten, variiert wöchentlich. Ich würde vielleicht sagen drei Stunden pro Woche kommt ungefähr hin.

Was waren eure Beweggründe für ein soziales Engagement bei UNICEF?

Moniek: Hauptsächlich wollte ich gerne neue Leute kennenlernen außerhalb der Arbeit. Da ich mich bereits in Groningen bei UNICEF engagiert hatte, habe ich geschaut ob es in Bremen auch eine Gruppe gibt. Ich habe mich für UNICEF entschieden, weil ich denke, dass Kinder die Zukunft sind und daher besonderen Schutz brauchen. Ich habe die Hoffnung, dass Kinder durch Bildung zu mündigen Bürgern heranwachsen können und dann selbst zur Verbesserung der Lebensbedingungen in ihrem Land beitragen können.

Cristin: Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich unbeschwert aufwachsen durfte. Ich hatte eine unglaublich schöne Kindheit, weil ich das Glück hatte, in eine liebende, fürsorgliche Familie hineingeboren zu werden. Ich hatte darüber hinaus immer genug zu essen und bin hier, an einem friedlichen Ort, zur Welt gekommen. Ich hatte Glück, aber es hätte auch anders kommen können. Mit meinem Engagement kann ich etwas zurückgeben und diejenigen unterstützen, die weniger Glück hatten als ich. Wo wir geboren werden, liegt nicht in unserer Hand, aber wir können die Welt gemeinsam so verändern, dass es zukünftig keine Frage des Glücks mehr ist. Je mehr Menschen sich sozial engagieren, desto realistischer wird diese Idee.

Welche Aktion im Rahmen der UNICEF Hochschulgruppe hat euch bisher am meisten beeindruckt?

Moniek: Ein sehr besonderes Projekt war definitiv das „Theater der 10.000“ im Mai 2019. Dort sollten in 100 Städten jeweils 100 Menschen gemeinsam Theater spielen. Die Teilnehmer konnten sich online registrieren und haben dann alle zur gleichen Zeit Anweisungen über Kopfhörer bekommen, was gespielt werden sollte. In Bremen waren über 100 Teilnehmer mitten auf dem Marktplatz zusammengekommen, unter Ihnen auch der damalige Bürgermeister und eine Bundestagsabgeordnete. Durch das direkte Erleben war es eine überraschend andere Aktion, die hoffentlich viele Menschen zum Nachdenken anregen konnte.

 

Besonders erfolgreich war die UNICEF Aktion „Theater der 10.000“, an welcher die Bremer Hochschulgruppe beteiligt war. Auf dem Bild zusehen sind: v.l. Moniek Tienken, Cristin Cikryt, Carsten Sieling und Sarah Ryglewski.
©UNICEF HSG Bremen

Cristin: Ja, das war auch mein bisheriges Lieblingsprojekt. Es gab sogar einen Eiswagen und eine Band. Der Markplatz war komplett gefüllt mit „SchauspielerInnen“ und Zuschauenden. Die Atmosphäre war toll: Eine unglaublich starke Zusammengehörigkeit und Kraft. Wir konnten Bewusstsein schaffen dafür, dass etwas getan werden muss in der Welt, und dafür, dass wir dazu gemeinsam auch wirklich im Stande sein können.

©UNICEF HSG Bremen

Was habt ihr durch euer soziales Engagement bei UNICEF gelernt?

Moniek: Dass man mit einfachen Mitteln auch als Einzelperson viel erreichen kann. So haben wir beispielsweise am Red Hand Day (Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten) rote Handabdrücke gesammelt und diese an Bundestagsabgeordnete überreicht. Diese wurden dann mitgenommen nach Berlin und man hatte schon den Eindruck, dass unsere Botschaft gehört wird. Viele denken bei UNICEF immer an Spenden sammeln, aber das ist tatsächlich nur ein kleiner Teil der Arbeit. Es geht vielmehr um Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.

Cristin: Ich habe gelernt, Aufgaben abzugeben. Mir ist das früher ehrlich gesagt etwas schwergefallen. Beim sozialen Engagement geht es ja aber darum, etwas zu tun, weil man es tun will, deshalb ist es notwendig, die Aufgaben zu verteilen, damit sich auch alle einbringen können. Ich habe dadurch gelernt, teamfähiger zu sein und dass man gemeinsam viel mehr schaffen kann.
Mir wird außerdem immer wieder vor Augen geführt, dass es sehr viele Menschen gibt, die anderen helfen wollen und die bereit sind dafür ihre Zeit zu investieren. Das lässt mich sehr optimistisch auf die Welt und die Menschen schauen.

Gibt es etwas, was euch bei der UNICEF-Arbeit weniger gut gefällt?

Moniek: Es ist manchmal schwierig engagierte Menschen zu finden, die auch aktiv in der Gruppe bleiben. Insbesondere in der Corona-Zeit. Aber ich denke, dass geht vielen Vereinen/Organisationen gerade so, die vom Ehrenamt getragen werden.

Cristin: Das sehe ich genauso. Vor allem wenn das Studium oder die Arbeit gerade fordernder sind, kann es manchmal schwierig werden, genug Leute für eine Aktion zusammenzukriegen.

Was glaubst du, wissen die wenigsten Leute über UNICEF?

Cristin: Ich glaube viele Leute denken, dass Spendengelder für unnötige Zwecke verwendet werden. Wir, die Hochschulgruppe (HSG) Bremen, haben aber zum Beispiel seit 2018 (davor weiß ich es nicht) nicht ein einziges Mal Gelder von UNICEF für unsere Projekte genutzt, sondern alles auf anderen Wegen organisiert. Für ein Kneipenquiz haben wir als Preise beispielsweise Sachspenden von lokalen Geschäften bekommen. Darüber hinaus denken Leute, wenn sie uns in unseren UNICEF T-Shirts sehen, oft, dass wir nur Spenden sammeln wollen. Natürlich ist das Sammeln von Spenden ein großes Anliegen, aber wir wollen auch Bewusstsein schaffen und Gutes für Kinder tun. Wir haben zum Beispiel in einem Sommer eine regelmäßige Spielaktion im Park durchgeführt oder wollten am Gesundheitstag mit den Kindern auf der Kinderstation eines Krankenhauses den Tag verbringen. Das war Corona-bedingt leider nicht mehr möglich. Was ich damit sagen möchte, ist: Nicht alle Aktionen dienen dem Zweck, Spenden zu sammeln und ich würde mich freuen, wenn die Leute um diese Seite der UNICEF-Arbeit auch wissen würden. Nichts desto trotz freuen wir selbstverständlich sehr über jede Spende!

Moniek: Das denke ich auch. Zum Beispiel macht UNICEF sich auch für Kinderrechte in Deutschland stark und hilft damit auch hier vor Ort und nicht nur in Krisengebieten. Aktuell läuft beispielsweise die Kampagne #NiemalsGewalt, die mehr Aufmerksamkeit für Gewalt gegen Kinder erreichen möchte, ein Thema, das häufig tabuisiert wird, aber gerade in der jetzigen Corona Zeit leider noch aktueller und wichtiger geworden ist. Außerdem setzt sich UNICEF aktuell dafür ein, dass die Kinderrechte in angemessener Form ins Grundgesetz aufgenommen werden.

Gibt es noch weitere Aufgaben oder Ämter, die ihr gerne über UNICEF in Angriff nehmen möchtet?

Cristin: Ich habe mal darüber nachgedacht, mich für den HSG-Beirat aufstellen zu lassen, aber ich glaube, dass mir dazu gerade die Zeit fehlt. Ich fände es toll, wenn der Beirat zukünftig mal wieder ein Mitglied aus Bremen hätte. Ich denke, ich werde bei unseren MitgliederInnen mal ein bisschen Werbung dafür machen. Ansonsten hoffe ich, dass die Zusammenarbeit mit Schulen bald wieder möglich sein wird, weil ich seit Februar 2020 Mitglied des UNCIEF-Schulteams in Bremen bin. Auf diese Arbeit freue ich mich schon sehr.

Moniek: Ich denke das Thema Klimaschutz ist auch im Zusammenhang mit Kinderrechten sehr relevant. Immer mehr Kinder verlieren durch Naturkatastrophen und Dürren ihre Lebensgrundlage. Das als Hochschulgruppe nochmal zu thematisieren fände ich spannend.

Welche Fähigkeiten sollten neue AktivistInnen mitbringen?

Cristin: Ich würde sagen, dass zwei Punkte mitgebracht werden sollten: Teamfähigkeit und der Wunsch etwas dazu beizutragen, Kindern eine Kindheit zu ermöglichen. Ansonsten gibt es aber keine Studiengänge oder Hobbys, die Voraussetzungen wären. Wir freuen uns über alle Menschen, die mitmachen möchten.

Moniek: Ich denke neue TeilnehmerInnen bei uns sollten Eigenengagement mitbringen und Lust haben mit anderen im Team zu arbeiten. Ansonsten ist jeder bei uns willkommen, und kann auch gerne bei einem unserer Treffen (aktuell über Zoom) vorbeischauen. Wir freuen uns immer über neue, interessierte MitstreiterInnen. 

Wenn ihr euch bei UNICEF einbringen wollt, werft einen Blick auf die Website oder nehmt direkt an der aktuellen Aktion #Runicef teil. Mehr Infos hierzu findet ihr auf dem Instagram-Account der Hochschulgruppe.

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