Entkriminalisierung des Containerns – Bremen als Vorreiter?
Das Containern, also das Retten der Lebensmittel aus dem Müll, ist seit einigen Jahren ein Trend in Deutschland. Nachdem das Lestra-Kaufhaus in Bremen das Containern erlaubt hat, liegt es jetzt an der Politik, das Thema aufzugreifen und zu diskutieren, damit die Lebensmittelverschwendung in Deutschland geringer wird und die Bedürftigen mehr Möglichkeiten erhalten, nicht benötigte Lebensmittel legal und gefahrlos zu bekommen.
Von Bastian Bönisch
Als das Lestra-Kaufhaus in Bremen vor einigen Wochen öffentlich bekanntgab, dass man sich für die Entkriminalisierung des Containerns einsetzt, gab es deutschlandweit Berichte und Diskussionen über das Thema. Lestra verfolgte das Containern noch nie strafrechtlich, auch, da es noch nie Probleme mit den Bedürftigen und den Lebensmittelretterinnen gegeben hat, wie Michael Shaw, Sprecher des Lestra-Kaufhauses, bestätigte. Die Idee, dies auch in den Medien öffentlich zu machen, kam den Verantwortlichen, nachdem der Vorschlag zur Entkriminalisierung des Containerns des Hamburger Senators Till Steffen abgelehnt wurde. Gemeinsam mit den Mitarbeitern beschloss die Chefetage des Kaufhauses, als eines der ersten Kaufhäuser in Deutschland ein Zeichen gegen die Lebensmittelverschwendung zu setzen. Die Reaktionen aus der Bevölkerung seien laut Shaw zu „99 Prozent“ positiv, da sich viele der Kunden auch ehrenamtlich gegen die Lebensmittelverschwendung einsetzen. Zwar gab es für Lestra selbst keine großen Probleme bei der Umsetzung der Legalisierung, trotzdem sehe man die Politik in der Pflicht, klare Regelungen zu beschließen und die Lebensmittelrettungen dadurch sowohl für den Handel als auch für die Menschen einfacher und attraktiver zu machen. Die Entkriminalisierung an sich sei kein „Hexenwerk“, so Shaw, trotzdem müssten neue Methoden gefunden werden, welche die Rettung von Lebensmitteln vereinfachen. Lestra engagiert sich auch in anderen Bereichen dafür, die Lebensmittel an Foodsharing-Organisationen oder andere Alternativen weiterzugeben, man sehe jedoch auch, dass es für die Discounter-Ketten deutlich problematischer ist, sich einheitlich für eine Legalisierung und Entkriminalisierung zu entscheiden, da oft die Handelskette entscheide und nicht der einzelne Markt.
Grüne: Containern muss bundesweit geregelt werden
Auch die Partei Bündnis90/Die Grünen sieht die Politik in der Pflicht, das Containern zu legalisieren und beschäftigt sich seit circa anderthalb Jahren mit dem Thema. Im Wahlprogramm zur Bremen-Wahl 2019 sprechen die Grünen davon, das Containern zu legalisieren, auch im Entwurf des Koalitionsvertrages zwischen der SPD, den Grünen und den Linken ist von der „Entkriminalisierung des Containerns“ die Rede. Insbesondere die Grüne Jugend sieht diesen Punkt als sehr wichtig für einen faireren Umgang mit den Lebensmittelrettern an, weswegen sie den Punkt in das Wahlprogramm der Mutterpartei einbrachten. Simon Metzger, Sprecher der Grünen Jugend Bremen, bezeichnet die Legalisierung des Containerns als „ersten Schritt zu weniger Lebensmittelverschwendung“, da die Legalisierung ein „einfacher politischer Schritt“ sei, der keine Kosten für den Staat und für die Bundesländer verursachen würde. Viele Mitglieder der Grünen sind selbst in der Container-Szene aktiv, da die große Menge an weggeschmissenen Lebensmitteln eingedämmt werden solle. Derzeit geschieht dies in großem Umfang durch die Tafeln, welche sich an 940 Standorten in Deutschland befinden und es sich zur Aufgabe gemacht haben, überschüssige Lebensmittel an bedürftige Menschen zu verteilen. Das Denken der Händler sei derzeit noch zu wirtschafts- und profitorientiert, weswegen man den Vorstoß des Lestra-Kaufhauses als „großartig“ bewertet und hofft, dass die Bewegung ebenfalls auf andere Märkte und Händler übergreife. Metzger merkt jedoch an, dass das Thema Lebensmittelverschwendung kaum grundsätzlich auf Landesebene geändert werden könne, „eigentlich müsste dies auf Bundesebene geschehen“. Man könne jedoch in Bremen und den anderen Stadtstaaten dafür sorgen, dass das Containern legalisiert wird, da dies deutschlandweit zeigen könnte, dass die Legalisierung sowohl für die Menschen als auch für den Handel eine attraktive Lösung sei. Wichtig sei zudem, sich als Einzelperson stärker gegen die Lebensmittelverschwendung zu engagieren und die Politik mit dem Thema zu konfrontieren. Metzger ist sich bewusst, dass das Containern viele Gefahren birgt, da man sich unter anderem an scharfen Gegenständen schneiden oder die weggeworfenen Lebensmittel zu einer Lebensmittelvergiftung führen können. Auch in diesem Fall sei es die Aufgabe der Politik, den Händler für die entsorgten Lebensmittel nicht mehr haftbar zu machen und die Menschen über die Risiken aufzuklären.
CDU: Alternativen zur Lebensmittelrettung müssen gestärkt werden
Die Bremer CDU ist sich ebenfalls des Problems bewusst, sieht die Legalisierung des Containerns jedoch nicht als den richtigen Schritt an, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Die Aktion des Lestra-Kaufhauses sehe man zwar grundsätzlich positiv, eine Legalisierung des Containerns sei jedoch „keine effektive Hilfe“ für die Bedürftigen und keine erstrebenswerte Vorgehensweise in der Lebensmittelrettung durch die Aktivisten, so Sigrid Grönert, die CDU-Fraktionssprecherin für Soziales. Man müsse bei der Lebensmittelverschwendung schon viel früher politisch eingreifen, so dass alle noch brauchbaren Lebensmittel schon vor dem Wegwerfen an die Menschen gebracht werden. Da bisher keine andere akzeptable Regelung gefunden wurde, schaue man momentan auch über eigentlich rechtswidriges Containern hinweg, die Gesetze sollen jedoch so geändert werden, dass das Containern in der Zukunft gar nicht mehr nötig sei. Die Risiken des Containerns seien insgesamt ohnehin zu groß, um eine Legalisierung zu ermöglichen. Grundsätzlich bestehe immer die Gefahr, welche auch die Grünen sehen, dass man zum Beispiel verdorbene Dinge aus dem Müll holt, aus dessen Verwendung anschließend eine Lebensmittelerkrankung erfolgen könne, welche im schlimmsten Fall sogar zum Tod führt. Zudem sei selbst legalisiertes Containern für die Menschen entwürdigend, auch deshalb müsse man sich auf die Suche nach Alternativen für die Rettung von überschüssigen Lebensmitteln machen.
„Händler müssen in die Pflicht genommen werden“
Abgesehen von den gesundheitlichen Gründen sieht die CDU zudem die Gefahr, dass sich durch eine gesetzliche Entkriminalisierung des Containerns das Recht des Stärkeren durchsetzen könne, da die Zahl der ‚Containerer‘ deutlich ansteigen könne und sich Gruppen bilden könnten, die möglicherweise aus der Legalisierung eigene Vorteile ziehen würden. Aufgrund all dieser Argumente sieht Grönert die Pläne der neuen Rot-Grün-Roten Regierung in Bremen als „zu kurzsichtig“ an, da die negativen Aspekte am Containern zu stark überwiegen würden. Anstatt des Versuches der Legalisierung würde Grönert eine Initiative im Bundesrat begrüßen, welche sich mit einer deutschlandweiten Lösung für den Erhalt von Lebensmitteln befassen würde. Orientieren könne man sich dabei beispielsweise an der Lösung in Frankreich, bei welcher die Märkte ab einer bestimmten Filialgröße ihre Lebensmittel spenden müssen, anstatt sie zu entsorgen. Auch die tschechische Lösung, bei welcher Händler grundsätzlich keine unverkäuflichen Lebensmittel in den Müll werfen dürfen, sieht Grönert als positiv an. Anstatt nur über die Legalisierung des Containerns nachzudenken, solle man schon vorhandene Alternativen weiter ausbauen, um die grundsätzliche Verschwendung der Lebensmittel stärker zu bekämpfen. Dabei sollte man containernde Bedürftige zur Nutzung der Alternativen ermuntern, bei den Lebensmittelrettern würde dies jedoch nicht funktionieren. Es würde von der CDU begrüßt werden, wenn die Händler in die Pflicht genommen werden würden, noch verwendbare Lebensmittel nicht mehr wegwerfen zu dürfen und diese stattdessen an Soziale- oder Foodsharing-Organisationen zu verschenken. Auch durch eine Lösung in diese Richtung würde das Containern nicht mehr nötig sein, da nur noch verdorbene und ungenießbare Lebensmittel im Müll landen würden. Um die Menschen in der aktuellen Situation vor den Gefahren des Containerns zu schützen, sei es laut Grönert auch nicht verkehrt, die Container sicher zu verschließen. Eine strengere Bewachung der Container sei jedoch keine sinnvolle Alternative. Mögliche härtere Strafen zur Abschreckung für die containernden Menschen sieht die CDU als „Irrsinn“ an, da man die Kraft lieber dahingehend nutzen sollte, sich über die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung Gedanken zu machen.
Auch Privatpersonen müssen Zahl der weggeworfenen Lebensmittel reduzieren
Einig sind sich die CDU und die Grünen jedoch darin, dass ein Vorgehen gegen die Lebensmittelverschwendung nicht nur auf der Ebene der Händler stattfinden sollte, sondern dass auch die privaten Haushalte in die Diskussion miteinbezogen werden sollten. Mehr als die Hälfte der weggeworfenen Lebensmittel in Deutschland stammt aus privaten Haushalten, im Durchschnitt warf jede Person im Jahr 2015 85,2 Kilogramm Essen weg. Sowohl die Grünen als auch die CDU plädieren dafür, dass Einzelpersonen ebenfalls nachhaltiger denken und ihre derzeitigen Gewohnheiten ändern sollten, da viele der weggeworfenen Lebensmittel noch genießbar seien. Laut Metzger müsse man zudem an das Kaufverhalten der Konsumenten appellieren, da viele Menschen derzeit auch noch zu viel einkaufen. Um dieses Thema auch stärker in der Öffentlichkeit zu behandeln, verweist Metzger auf stärkere Aufklärung und Bildung zum Thema Lebensmittelverschwendung. Die CDU sieht es unter anderem als wichtig an, schon im Kindergarten den sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln einzuüben, um möglichst früh auf das Thema aufmerksam zu machen.
Titelbild: needpix.com