Steht der Tod des Internets bevor?

Alles über den Artikel 13 des europäischen Parlaments und was er für unsere Internetfreiheit bedeutet.

Lässt man den Karneval außen vor, so gibt es kaum Anlässe, zu denen sich mehrere Tausend Kölner und Kölnerinnen auf der Straße versammeln. Doch immerhin 3.000 Menschen zogen vor zwei Wochen durch die Straßen der Rheinischen Millionenstadt – Jedoch nicht als neckische Narren, sondern als besorgte Demonstrierende.

Von Florian Fabozzi

Die Besorgnis richtet sich gegen den sogenannten Artikel 13 des Europaparlaments, auf das sich der EU-Ministerrat am 20. Februar geeinigt hat. Der Artikel soll die Urheberrechte von Kunstschaffenden im Internet stärken und kommerzielle Plattformen wie etwa YouTube in die Verantwortung ziehen. Das klingt zunächst einmal sinnvoll; Was es jedoch zu einem polarisierenden Thema macht, sind seine Implikationen. Den Befürchtungen der Kritiker zufolge geht dieser Artikel nämlich auf Kosten der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit im Internet. Ein Schlüsselwort in dieser Diskussion ist der “Upload-Filter”

Was hinter dem Artikel steckt

Was genau ist nun der Artikel 13? Dieser besagte Artikel möchte die Urheberrechte schützen, in dem es kommerzielle Plattformen in die Pflicht nimmt. Plattformen wie YouTube müssen aktuell erst dann geschützte Inhalte löschen, wenn es von Seiten der Urhebenden zu Beschwerden kommt. Nach Artikel 13 müssen die Plattformen schon beim Upload sicherstellen, dass keine geschützten Werke durchgewunken werden, für die sie nicht die Lizenzen gesichert haben. YouTube müsse demnach von zahllosen Plattenlabels, Verlagen oder Filmstudios die Erlaubnis zur Veröffentlichung holen, wollen sie nicht in Gefahr laufen, gegen Gesetze zu verstoßen. Selbst für einen Riesen wie YouTube käme das einer Sisyphusarbeit gleich. Und an der Stelle kommt der Upload-Filter ins Spiel: Um sicher zu gehen, dass keine Urheberrechte verletzt werden, braucht es einen solchen Filter. Eine Software, die automatisch das Hochladen von Inhalten verbietet, für die keine Abmachung mit dem Urhebenden vereinbart wurde. Dieses würden das Filtersystem dieser Software mit ihren Lizenzen “füttern”. Der Upload-Filter würde dann vom Nutzer hochgeladenen Inhalten mit diesen Lizenzen abgleichen und sie im Zweifelsfall herausfiltern.

Um sicher zu gehen, dass keine Rechte verletzt werden, braucht es einen Upload-Filter

Das Problem: Upload-Filter sind nicht perfekt. Zumindest nicht bisher. Daher gilt zu befürchten, dass ein solcher Filter über das Ziel hinausschießen könnte. Die Meinungsfreiheit erlaubt die Verwendung von geschützten Inhalten (Bilder und Zitate)  im Rahmen von Satire und Parodien. Auch die Nutzung von Liedsequenzen ist legal, sofern man sich im Video mit dem Song auseinandersetzt. Doch kann ein Filter Parodien und Songanalysen als solche erkennen? Wahrscheinlich nicht.

Memes vor dem Aus?

Müssen wir bald auf „Hide The Pain Harold“ verzichten? 

Somit droht auch dem größten Internetphänomen unser Generation ein plötzlicher Tod: Dem Meme. Schließlich beinhalten Memes meistens popkulturelle Anspielungen aus Film und Fernsehen. Die Macher der Memes verfügen allerdings höchst selten auch über deren Rechte. Zwar wird von Seiten des EU-Parlaments beteuert, dass Memes nicht unter die Regelung von Artikel 13 fallen sollen – doch bieten sie auch keine Lösungen an, um das Filtern zu verhindern. Demnach müssen wir vielleicht bald Abschied nehmen von „Hide The Pain Harold“ und co.

Daran, dass der Artikel 13 wahrscheinlich bald zum Gesetz wird, trägt auch die Bundesregierung ihren Anteil. Beim Ministerrat am 20. Februar stimmte sie dem Kompromiss zu – und verstieß damit gegen das eigene Prinzip. Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD noch vereinbart, einen solchen Artikel als “unverhältnismäßig” abzulehnen. Man musste sich nun wohl aber der Mehrheit der EU-Regierungen beugen. Regierungssprecher Seibert bezeichnete das Verhandlungsergebnis als einen “fairen Ausgleich zwischen ganz vielfältigen Interessen”. Die Bundesregierung genießt dabei die Unterstützung von unter anderem der Gema, dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, Verdi und sämtlichen Unternehmen, die sich für die Belange von, Kunstschaffenden einzusetzen.

Prominent besetzt ist auch die Seite der Kritiker. Niemand geringeres als der Erfinder des Internets Tim Berners-Lee sieht in dem Artikel 13 einen “Schritt zur Transformation des Internets[…] zu einem Werkzeug für automatisierte Überwachung und Kontrolle der Nutzer.“
Julia Reda, Abgeordnete des EU-Parlaments für die Piratenpartei, vermutet hinter dem Gesetz die Absicht von Konzernlobbys mehr Profit und mehr Kontrolle über das Netz zu erlangen. YouTuber Lefloid befürchtet, dass sich Personen einen Upload-Filter zu Nutze machen um Kritiker mundtot zu machen.

Schlechter Umgang mit Kritik

Es ist festzustellen, dass der Artikel, wenn er auch gut gemeint ist, nicht wirklich auf der Höhe der Zeit ist. Wie etwa verträgt sich der Artikel mit Live-Streams? Live-Inhalte lassen sich schließlich nicht filtern. Würde man Live-Streams nun per se verbieten wäre das der Tod für Live-Streaming-Portale wie etwa Twitch. Auch kann man davon ausgehen, dass sich das Austauschen von Inhalten einfach nur auf private Chaträume in sozialen Netzwerken verlagern würde. Wie gedenkt die EU das zu verhindern?

Genauso dürftig wie die Detail-Umsetzung des Artikel 13 ist der Umgang der Verantwortlichen mit den Kritikern. Sven Schulze schien etwa einer Verschwörung auf der Spur zu sein, als er einen Tweet verfasste, in dem er Protest Mails als eine Fake-Aktion von Google abtat – und damit den tatsächlichen Widerstand in der Bevölkerung herunterspielte.
Demonstranten in Köln und Berlin machten sich auf den Tweet lustig, in dem sie Schilder mit der Beschriftung “Wir sind keine Bots” hoch hielten.

Was können die Kritisierenden noch tun?

Nur eine einzige Hürde steht dem Artikel noch bevor: die finale Abstimmung im Plenum, die voraussichtlich Ende März stattfinden wird. Hier haben alle 751 Abgeordneten des EU-Parlamentes eine Stimme. Darin liegt die Chance für die Kritiker. Auf der Website http://saveyourinternet.eu/de/ sind die Telefonnummern der deutschen Abgeordneten hinterlegt. Besucher der Website sind dazu angehalten, das persönliche Gespräch mit den Abgeordneten zu suchen und sie freundlich von den Reform-Plänen abzubringen. Das gleiche Prinzip verfolgt die Website http://savethememe.net/de. Angesichts von fünf Millionen Leuten, die eine Petition gegen den Artikel 13 unterschrieben haben, kann man davon ausgehen, dass bei vielen Abgeordneten derzeit die Leitungen glühen.

Auf diesen Vorschlag wird sich die EU vermutlich nicht einlassen

Wer nach Kölner oder auch Berliner Vorbild seinem Unmut lieber auf der Straße Luft machen möchte, sollte sich den 17. und 23. März auf dem Kalender vormerken. Am 23. März ist in den meisten europäischen Städten eine Großdemo unter dem Motto “Save the Internet” geplant. In Bremen wird eine solche Demo schon am 17. März stattfinden, da hier am 23. März bereits eine Demo zum Thema “Menschenrecht auf Wohnen” angesetzt ist.

Was ist wenn der Artikel 13 doch zum Gesetz wird? Dass das Internet, wie wir es kennen, stirbt, ist auch dann nicht in Stein gemeißelt. Hoffnung macht unter anderem die Ankündigung von CDU-Politiker Alex Voss, es solle ein Beschwerdemechanismus eingeführt werden für User, die meinen, ihre Inhalte seien ungerechterweise rausgefiltert wurden. Auch besteht die Hoffnung, dass die Plattformen von sich aus mehr Lizenzen kaufen und ein Filter vielleicht doch nicht benötigt würde – schwer vorstellbar, aber nicht unmöglich. Im schlechtesten Fall könnte man witzige Memes sicher weiterhin über private Chaträume austauschen.

Zum Thema automatisierte Filterung und potentieller Zensur im Internet hatten wir in der Ausgabe 26 bereits das ebenfalls umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) thematisiert. Den Artikel findet ihr hier auf den Seiten 6-7.

Alle Bilder wurden auf imgflip.com erstellt.

Das könnte dich auch interessieren

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *