Satire in Reinform – Kabarettgruppe begeistert Publikum
Am 3. Juni fand im kleinen und familiären „Schnürschuh-Theater“ in der Bremer Neustadt die Premiere der Vorstellung „Fluch(t)räume“ des Jugendkabaretts „SpamFilter“ statt. Etwa 100 neugierige Zuschauer waren zugegen um das knapp 90-minütige Spektakel mitzuverfolgen. Somit war der Zuschauerraum fast bis auf den letzten Platz besetzt.
Von Florian Fabozzi
Bei „SpamFilter“ handelt es sich um eine Jugendkabarettgruppe, die nun schon seit drei Jahren in wechselnder Besetzung aktiv ist und von der Pädagogin Anna Hilbig geleitet wird. Die Stücke, die von den 16- bis 22-jährigen Kabarettisten stets selber geschrieben werden, verarbeiten gesellschaftliche, politische Themen, aber auch Dinge des Alltags auf satirische Art. Dabei sind die Szenen nicht das Ergebnis mühevoller Denkprozesse, denn oft ergeben sich die Ideen aus simplen Gesprächen über „Gott und die Welt“, die zu Beginn eines jeden Treffens geführt werden und als Inspirationsquellen dienen. Schließlich hat die Gruppe den Anspruch jene Themen auf die Bühne zu bringen, die Jugendliche und junge Erwachsene beschäftigen. Die Vorbereitung erstreckt sich über das gesamte Frühjahr und die Auftritte finden jährlich im Juni im traditionsreichen Schnürschuh-Theater in der Bremer Neustadt statt. Die diesjährige Vorstellung trägt, wie eingangs erwähnt, den mehrdeutigen und etwas kryptischen Titel „Fluch(t)räume“. Womöglich fand der ein oder andere Zuschauer auch nach dem Auftritt keine Antwort auf die Frage, was es denn mit dem Namen auf sich hat – doch bereut haben dürfte den Besuch kaum jemand.
Die sieben Darsteller wecken von der ersten Sekunde an das Interesse des Zuschauers, was nicht zuletzt an der häufigen und humorvollen Interaktion mit dem Publikum liegt. Das Geschehen auf der Bühne, das wird deutlich vermittelt, geht dem Zuschauer etwas an und er kann sich ihm nicht entziehen. Der Theaterfachmann würde es als „Durchbrechen der vierten Wand“ bezeichnen, was für das Kabarett allerdings nicht untypisch ist.
Für die Gattung üblich ist auch der fehlende rote Faden in der Handlung. Die gesamte Darbietung ist in voneinander unabhängige Einzelszenen gegliedert. Durch diese Anordnung durchlebt der Zuschauer ein Wechselbad der Gefühle. Auf eine absurd-witzige Szene folgt nicht selten eine düster-ernsthafte Sequenz. Das Pendel schlägt allerdings nie zu einer Seite aus. Sobald das Geschehen zu ernst oder gar bedrückend zu werden scheint, lockert ein humoristischer Einschub die Darbietung auf, ohne dabei die behandelte Thematik ins Lächerliche zu ziehen. Gewinnt man dagegen den Eindruck, eine Szene verliere sich in zu viel Klamauk, folgt meist ein Appell oder eine Botschaft, die letztlich eher zum Nachdenken als zum Schmunzeln anregt. Es ist der komplizierte Drahtseilakt zwischen Humor und Ernst den die Gruppe nahezu perfekt beherrscht.
Satirisch verarbeitet wird dabei beinahe jedes Thema, welches im medialen Diskurs der letzten Monate oder Jahre im Blickpunkt stand. Von Frauenrechten, über Drogenkonsum und Klimaverschmutzung bis hin zur Dekadenz der Einwohner in Industrieländern. Auch abstraktere Themen wie Egoismus und der Leistungsdruck der heutigen Gesellschaft werden in den Fokus gerückt.
Der Humor ist mal skurril, mal überraschend, mal bitterböse. Die Premiere zeigte, dass sie die Lacher sowohl von jungen als auch von alten Zuschauern ernten, also generationenübergreifend Anklang fanden.
Die Dialoge sind zum Teil überspitzt, aber strotzen vor kreativen Einfällen. Besondere Beachtung verdienen auch die Darstellungsformen. Ein personifizierter Like-Button bei einer Szene über die sozialen Netzwerke, eine verkehrsuntaugliche Wolke als Metapher für die frische, aber anfällige Liebe eines Paares – das sind nur zwei von vielen Beispielen. Auch eine Art Rap-Battle bekommt der Zuschauer zu sehen und zu hören.
Das Spiel der Darsteller ist äußerst energisch, leidenschaftlich und mitreißend. Die Qualität der schauspielerischen Darbietung schwankt je nach Szene und nach Protagonist und wirkt nicht immer überzeugend. Berücksichtigt man allerdings, dass in einem Kabarett noch viel mehr die Botschaft als die Performance im Vordergrund steht und dass es sich bei den Darstellern um keine ausgebildeten Schauspieler handelt, ist das nicht als schwerwiegender Kritikpunkt anzusehen.
„Fluch(t)räume“ von SpamFilter ist unterhaltsames und kurzweiliges Kabarett, das sowohl zum Lachen als auch zum Denken anregt. Wer sich eine eigene Meinung bilden möchte, hat noch einmal die Gelegenheit dazu: Am Sonntag, dem 19. Juni um 19:00 Uhr tritt die Gruppe ein letztes Mal im Schnürschuh-Theater auf. Karten können online auf der Seite http://www.schnuerschuh-theater.de/ erworben werden.
Titelbild: Thore Kutschan