Das Schwert der Wahrheit – Das erste Gesetz der Magie

Buchkritik

Aufgrund ihrer oftmals völlig neuen Welten, die Leser*innen entdecken und erforschen können, erfreuen sich Fantasy-Romane großer Beliebtheit. Losgelöst vom Alltag, aber sich dennoch mit ernsten Themen befassend, ist es immer wieder ein neues Abenteuer, welches erlebt werden möchte. Eine dieser neuen Welten, die nur darauf wartet gelesen zu werden, befindet sich in der Reihe „Das Schwert der Wahrheit“. Terry Goodkind führt seine Leser und Leserinnen in ein Reich voller Magie und den damit verbundenen Auseinandersetzungen.

Von Stephanie Pundt

Bei dem Begriff „Wahrheit“ handelt es sich laut der Definition des Duden um „die Übereinstimmung einer Aussage mit der Sache, über die sie gemacht wird“. Als solches ist das Konzept „Wahrheit“ ein viel besprochener Bereich der Philosophie, insbesondere was die Objektivität angeht.  Aber auch in unserem Alltag begegnet sie uns, da uns bereits in jungen Jahren gelehrt wird,  die Wahrheit zu sagen.  Das bedeutet jedoch nicht, dass sich auch jeder daran hält. Im Gegenteil: Das sogenannte „weiße Lügen“, ist sogar sozial angesehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn man die Unwahrheit sagt, um jemand anderen nicht zu verletzen und somit nicht für sich selbst lügt. Zudem werden Lügen auch oft genutzt, um sich selbst zu schützen oder sich Vorteile zu verschaffen. So ist es am Ende dem eigenen Urteilsvermögen und dem eigenen freien Willen überlassen, ob in einer bestimmten Situation die Wahrheit gesagt werden sollte oder nicht. Was ist jedoch, wenn einem der freie Wille unwiderruflich genommen und man dadurch gezwungen wird, in jeder Situation die Wahrheit zu sagen?

Die Thematik des Verlustes des freien Willens und dem Zwang, immer die Wahrheit sagen zu müssen, wird in der elf Bände umfassenden Fantasy-Buchreihe „Das Schwert der Wahrheit“ von Terry Goodkind behandelt, welche zwischen den Jahren 1995 und 2008 in Deutschland veröffentlicht wurde. Goodkind war vor seiner Karriere als Autor Geigenbauer und Restaurator und erlangte mit dem Auftakt seiner Reihe, welcher auf Deutsch unter dem Namen „Das erste Gesetz der Magie“ erschien, internationale Aufmerksamkeit. Nach dem Ende der Original-Buchreihe schrieb er neben einer Sequel-Serie weitere Bücher, die im selben Buchuniversum verankert sind. Im September vergangenen Jahres starb er im Alter von 72 Jahren. 

Eine neue  magische Welt zum Entdecken

„Das erste Gesetz der Magie“ ist der erste Teil der Buchreihe, welche in einer fiktiven Welt mit mittelalterlichem Setting und verschiedenster Formen der Magie spielt. Diese Welt ist dabei  unterteilt in eine Alte und Neue Welt. Der erste Teil der Reihe spielt ausschließlich in der Neuen Welt, die in drei Reiche aufgeteilt ist: Westland, die Midlands und D‘Hara. Sie sind durch magische Mauern, die „Die Grenze“ genannt werden und als undurchdringbar gelten, voneinander getrennt. Im Zentrum der Handlung steht ein junger Mann namens Richard Cypher, der in Westland als Waldführer unterwegs ist. Zu Beginn befindet er sich nahe der Grenze und untersucht dort eine Schlingpflanze, die andere Bäume abtötet. Ein Ableger dieser Pflanze befand sich in dem Haus seines Vaters, als dieser dort  drei Wochen vor der Handlung ermordet aufgefunden worden war. Richard, der alles daran setzt, den Mörder zu finden, wird von der Schlingpflanze angegriffen. Ein Dorn bohrt sich in seine Hand und lässt sich nicht wieder entfernen, was zu einer sehr schnellen Entzündung führt. Da Richard an diesem Tag in der Stadt Kernland an der Feier anlässlich zur Ernennung seines älteren Bruders Michael zum Obersten Rat – und damit zum Herrscher Westlands – teilnehmen soll, beschließt er sich widerstrebend auf den Weg zu machen. 

© Blanvalet Verlag

Es dauert jedoch nicht lange, bis er beobachtet, wie eine junge Frau in fremdartiger Kleidung von vier Männern verfolgt wird und beschließt kurzerhand zu helfen. Die Frau stellt sich als Kahlan Amnell heraus, eine Bewohnerin der Midlands, die die magische Mauer nur mit Hilfe der Lebenskräfte der letzten Zauberer durchqueren konnte. Sie erklärt Richard, dass der Herrscher D‘Haras, Darken Rahl, die Mauer zwischen D‘Hara und den Midlands niedergerissen hatte und nun Krieg mit den Midlands führt. Auf der Suche nach dem letzten Zauberer der Ersten Ordnung, der die Mauern vor gut zwanzig Jahren erst erschaffen hatte, ist sie nach Westland gekommen, wo sich besagter Zauberer aufhalten soll, um Darken Rahl besiegen zu können. In Westland gibt es jedoch keine Magie, weshalb niemand von diesem Zauberer je gehört hatte. Richard nimmt Kahlan mit zu seinem alten Freund Zedd, um sich seine Hand verarzten zu lassen und in der Hoffnung, Zedd könne Kahlan vielleicht helfen, da er vor der Errichtung der Mauer in den Midlands gelebt hatte. Bei Zedd angekommen wird schnell klar, dass es sich bei ihm selbst um den gesuchten Zauberer handelt. Kahlan bittet ihn daraufhin, einen Sucher zu ernennen.

Die Welt benötigt einen Retter

Der Sucher hat die Funktion inne, die Wahrheit zu suchen und danach zu handeln. Er hat das ultimative und letzte Wort über die Wahrheit. Um ihm bei seiner Arbeit zu helfen, schwingt er das sogenannte Schwert der Wahrheit, welches zur selben Zeit als Erkennungsmerkmal gilt. Der Sucher steht gemeinsam mit den Konfessoren – ein Orden von Frauen, die mit einer Magie geboren werden, welche jemanden durch eine einzige Berührung den freien Willen nehmen kann – über allen anderen. Im Gegensatz zu den Konfessoren, die die offiziellen Herrscher der Midlands sind, ist der Sucher unabhängig und macht sich seine Gesetze selbst. Es stellt sich heraus, dass Kahlan eine Konfessor ist und deshalb losgeschickt wurde, um den Zauberer der Ersten Ordnung zu finden. Nur er ist befugt, einen Sucher zu bestimmen. Zedd, der in Westland ohne Magie leben wollte, ist nicht besonders begeistert, Kahlan zu sehen, ernennt jedoch dennoch Richard als wahrer Sucher. Nach einigem Hin und Her schwören Zedd und Kahlan Richard die Treue und so machen sich die drei auf den Weg, die Mauer zu durchqueren, um in die Midlands zu gelangen und Darken Rahl daran zu hindern, die Midlands zur Gänze einzunehmen und danach auch Westland zu attackieren. 

Das ist die Ausgangssituation, in der man sich in den ersten Kapiteln von „Das erste Gesetz der Magie“ wiederfindet. Auf den ersten Blick handelt es sich um klassische High Fantasy: ein Auserwählter, seine epische Quest, Freunde, die ihm zur Seite stehen, magische Gegenstände.  Goodkind ist es gelungen, daraus etwas Besonderes zu machen. Absolut alles ist in dieser magischen Welt genau durchdacht: die Umgebung, die verschiedenen magischen Formen und ganz besonders die Charaktere. Diese sind trotz ihrer großen Zahl und Vielfalt sehr gut ausgearbeitet und fühlen sich real an. Jeder hat seine individuellen Züge und Macken, die den Leser zum Lachen, aber auch zum Hassen und Mitfühlen bringen. Einige Charaktere scheinen regelrecht zum Hassen erschaffen worden zu sein, besonders Darken Rahl und sein Handlanger Demmin Nass – ihr Verhalten wird zwar teilweise erörtert und gerade Darken Rahl besitzt auch ein paar Eigenschaften, die einem sympathisch vorkommen können, doch diese können die Grausamkeit ihrer Handlungen nicht wirklich aufwiegeln. Der Autor ist gnadenlos und lässt den Leser all das hautnah miterleben. Für zarte Gemüter ist das Buch möglicherweise nicht immer etwas, denn es hält sich auch mit gewaltsamen Taten und ethisch bedenklichen Aussagen beziehungsweise Situationen nicht zurück.

Umfangreiche Handlung und komplexe Themen

Das Buch braucht seine Zeit, um die Handlung vollständig vor den Lesern auszubreiten, wobei jedoch immer wieder etwas Ereignisreiches geschieht. Der Plot baut dabei viele Interaktionen zwischen den Charakteren auf und unterteilt sich immer wieder in neue Stränge, ohne dabei die Übersicht oder den roten Faden zu verlieren, sodass am Ende alle Teilhandlungen wieder zusammen führen. Die Wichtigkeit der Wahrheit und die Verantwortung, die das Bewahren derselbigen mit sich führt, ist dabei immer eine wichtige Thematik und spielt in alle anderen Themen, die Gegenstand der Handlung sind, mit hinein. Vor allem das Zusammenspiel zwischen Konfessoren und Sucher ist dabei erwähnenswert. 

Terry Goodkind († 2020)

Der Sucher ist der Hüter der Wahrheit und fordert diese in jedem Augenblick ein. Er wird als sehr mächtig beschrieben, da er durch diese Funktion und das Schwert eine immense Kraft besitzt, welche ihn sogar dazu ermächtigt, Herrscher zu stürzen. Dabei ist er angewiesen, selbst nach der Wahrheit zu suchen und sich ein Urteil darüber zu bilden. Sein freier Wille ist unabdingbar für seine Berufung und sein Urteilsvermögen steht über das aller anderen. Das Schwert dient dabei als ausführende Kraft seiner Macht, mit dem er notfalls auch tötet, er ist jedoch nicht immer auf die Verwendung des Schwertes angewiesen. Die Konfessoren können Lügen ebenfalls oft erkennen, ohne ihre Kräfte einsetzen zu müssen. Sie sind für viele die höchste moralische Instanz, die Menschen vertrauen ihrem Urteilsvermögen. Ihre Kräfte bestehen darin, anderen Menschen durch ihre Magie den Willen zu rauben. Wurde ein Mensch erst einmal gewandelt, ist er dem Konfessor entweder bis zu ihrem oder dem eigenen Tod willenlos ergeben und tut alles, um sie zufrieden zu stellen und zu beschützen, selbst wenn das bedeutet, ehemalige Kameraden oder Freunde zu töten oder selbst zu sterben. Oft benutzen Konfessoren die Wandlung im Gericht in besonders schweren Fällen. Und da die Konfessoren genau wie der Sucher über alle anderen, sogar über die obersten Zauberer stehen, wird die Wahrheit an sich, ihre Bewahrung und das Durchsetzen der Wahrheit als die höchste Instanz innerhalb dieser fiktiven Welt angesehen.

Terry Goodkinds Vermächtnis für die Welt

Terry Goodkind hat eine Welt geschaffen, die endlos erscheint. Eine Welt, in der theoretisch alles möglich ist. Dabei werden Werte, die in der Realität wichtig sein und hochgehalten werden sollten, sowie zentrale Themen einer jeden noch so kleinen Nebenhandlung, sei es unterschwellig oder mehr als offensichtlich, mit eingebunden. Die Protagonisten der Buchreihe „Das Schwert der Wahrheit“ kämpfen mit aller Macht für das „Gute“, für ihre Wertvorstellungen, ohne dabei andere zu unterdrücken, für Freiheit und Akzeptanz. Richard ist jemanden, der nie große Verantwortung wollte, sich immer nur ein einfaches Leben gewünscht hat und in eine Rolle hineinwachsen muss, die ihm abverlangt, die Welt wieder gerade zu rücken. Kahlan hingegen eine junge Frau mit einer enormen Last auf den Schultern, die massiv damit zu kämpfen hat, dass die Kräfte, mit denen sie auf die Welt gekommen ist, anderen den Willen nehmen können. Und Zedd ist ein alter Mann, der alles verloren hat und sein Lebensende einfach nur in Frieden verbringen wollte, nun jedoch dazu gezwungen ist, wieder einmal in einen Krieg einzugreifen, um möglichst viele Menschenleben zu retten. Neben der Wichtigkeit der Wahrheit werden bedingungslose Liebe – egal welcher Natur –, Freundschaft, Verlust, Verrat, Vergebung, aber vor allem die Freiheit des eigenen Willens thematisiert, inklusive Toleranz und Akzeptanz. 

„Das Schwert der Wahrheit – Das erste Gesetz der Magie“ ist der Auftakt zu einem großen Abenteuer mehrerer Charaktere, das sich Leben nennt. Trotz mittelalterlichem Setting, Magie und fiktiver Welt werden reale Szenarien erschaffen, die vielfältiger nicht sein könnten. Der Leser wird mitgenommen in einen Krieg, eine Schlacht, in der die verschiedensten Ideale und Wünsche aufeinandertreffen. Es ist definitiv lesenswert und verdient auch heute, mehr als zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung, immer noch Anerkennung. Terry Goodkind hat der Welt ein Meisterwerk hinterlassen.  

Das Schwert der Wahrheit, Terry Goodkind, Fantasy, 11 Bände (1995 – 2008), Blanvalet Verlag.

 

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